Was man aus der Historie lernen kann
Ein Beitrag von Yvers Willers
Ein führender Sozialdemokrat unterwirft sich dem aggressiven Diktator.
Der Belgier Hendrik de Man ist eine herausragende Persönlichkeit der europäischen Arbeiterbewegung vor und nach dem Ersten Weltkrieg.
Es steht im Austausch mit zahlreichen Persönlichkeiten der Sozialdemokratie wie August Bebel, Karl Kautsky und Rosa Luxemburg.
Als Soziologe ist er vor allem um die Arbeiterfortbildung bemüht.
Ab 1922 lehrt er an der damals neu gegründeten „Akademie der Arbeit“ in Frankfurt, der ersten deutschen Hochschule, die von den Gewerkschaften getragen wird.
Er kritisiert heftig den Marxismus, aber auch den Reformismus und versucht nach 1929 mit dem „Planismus“ einen dritten Weg.
Für seine Kritik des Sowjetkommunismus erhält er 1932 Zuspruch von Mussolini, den er nicht zurückweist.
Doch er bezeichnet einen möglichen weltweiten Sieg des Faschismus aufgrund der Krise als „apokalyptisch“.
Laut seinem „Planismus“ sollen Sozialisten enger an Liberale rücken. Freie Marktwirtschaft und Unternehmertum sollen befördert werden, indem der Staat private Monopole, insbesondere im Finanzsektor, verhindert.
Durch einen staatlichen Wirtschaftsplan sollen der Wirtschaft verbindliche langfristige Ziele vorgegeben werden, um so die „Kurzsichtigkeit des Marktes“ zu überwinden.
Um den Faschismus zu verhindern, befürwortet de Man einen „starken Staat“, weil sonst die Macht des Finanzkapitals nicht zu brechen sei.
De Man ist auch ein Pazifist, der den Ausgleich mit dem Deutschen Reich sucht.
Durch Verständigung mit Hitler soll die Wiederholung des Krieges um jeden Preis verhindert werden.
Im Jahr 1939 wird er Vorsitzender der belgischen sozialistischen „Partei der Arbeit“ POB-BWT, eine der beiden führenden Parteien des Landes. Beim Einmarsch der Deutschen bleibt er im Land, die POB-BWT ist die einzige sozialistische Partei Europas, die einen Einmarsch Deutscher Truppen begrüßt, dann löst de Man die Partei auf.
In seinem Manifest zur Auflösung schreibt de Man : „Der Krieg führte zum Debakel der parlamentarischen Herrschaft und der parlamentarischen Plutokratie in den sogenannten Demokratien.
Für die Arbeiterklasse und den Sozialismus ist dieser Zusammenbruch einer heruntergekommenen Welt keineswegs eine Katastrophe, sondern eine Erlösung.“
De Man versucht, sich in der Kollaboration mit den Deutschen Besatzern einzubringen.
Er wird zum de-facto Premierminister des besetzten Belgiens.
Da ihn aber flämische Faschisten ablehnen, schafft er es nicht, sich bei den Deutschen als Partner fest zu etablieren. Er geht in die innere Emigration und flieht nach 1945 in die Schweiz.
Sozialdemokratische Traditionspflege sollte nicht nur im Gedenken an die vielen mutigen Vorbilder bestehen, sondern auch an warnende Beispiele erinnern wie das von Hendrik de Man, der sich aus pazifistischer Überzeugung zum Werkzeug eines Diktators gemacht hat.
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Kommentar von Werner Hoffmann
Was dieses historische Beispiel auch deutlich macht, ist der Grad einer gewissen Diplomatie darf nicht überspannt werden.
Gerade autokrate Persönlichkeiten – z.B. Trump, Putin & Co. nutzen fast immer ein strategisches Spiel:
„Gehe frech fünf Schritte vor und notfalls einen Schritt zurück. Der Diplomat sieht es dann als Erfolg an, wenn der Diktator nur einen Schritt vor gegangen ist…,“
Insoweit kann ich Selensky gut verstehen, dass er keine Annexion akzeptieren kann.