Wie die rechte Kampagne gegen ‚Links‘ schon vor 1933 die Demokratie zerstörte – und warum wir heute aufpassen müssen!

Ein Beitrag von

Yves Willers.

Wie die Kampagne gegen „Links“ sich vor 1933 auf den Gemeinsinn in kleinen Orten zersetzend auswirkt.

Es passiert in Northeim bei Hildesheim, so wie zeitgleich in tausenden anderen Ortschaften.

Aber in Northeim ist es präzise untersucht und dokumentiert.

1966 analysiert der US-Historiker William Allen Sheridan wie sich die NSDAP schon vor der Wirtschaftskrise in der zuvor demokratisch geprägten Stadt derart etabliert, dass sie nach 1929 große Teile Bevölkerung für sich einnehmen kann.

Seine Untersuchung ist vor allem auch deswegen wertvoll, weil er mit vielen Zeitzeugen noch persönlich spricht.

„Das haben wir nicht gewollt“ – so der Titel seines Buches.

Schlussfolgerungen zu den „Kipppunkten“ in Northeim in den Jahren 1928/30, als alles anfängt:

1.) Die Kommunisten sind traditionell unbeliebt und schwach in Northeim. Die SPD ist die führende Partei mit 45% der Stimmen. Die SPD arbeitet im Stadtrat mit der liberalen DDP und der konservativen DVP gut zusammen.

Die kleine NSDAP fängt schon 1928 an, gegen die SPD – sie mit der KPD gleichsetzend – pauschal als „Marxisten“ zu agitieren. Die Gewaltbereitschaft und Radikalität der KPD werden so auf die demokratische SPD projiziert.

Die traditionelle kulturelle Distanz bürgerlicher Kreise zur Arbeiterbewegung wird nun auf einmal zum Problem. Plötzlich gilt jegliche sozialpolitische Forderung als „Enteignung“ und wird mit „radikal marxistisch“ oder „kulturbolschewistisch“ gleichgesetzt.

2.) Die konservative DVP verfällt zunehmend diesem Kulturkampf. Man grenzt sich im Wahlkampf nun formell von allen „Radikalen“ ab – aber auf einmal gibt es eine Äquidistanz zur NSDAP und allen „Marxisten“, also auch der SPD.

Sprachlich wird nun seitens der DVP nicht mehr zwischen verfassungstreuer SPD und verfassungsfeindlicher KPD unterschieden.

3.) Die mit der DVP verbundene Ortszeitung ist auch in fataler Weise, so Sheridan, „neutral“ ohne Bereitschaft, die spezifische Gefahr der NSDAP zu betonen, sondern grenzt sich zunehmend in ihren Beiträge zeitgleich von der SPD ab. 
 
Das Fazit im Jahr 1966 von Professor Sheridan: „Aber durch ihren verschwommenen Opportunismus und blinden „Antimarxismus“ erwies sich die DVP in Northeim nicht nur als unfähig, mit der NS-Bedrohung umzugehen, sondern verweigerte der Northeimer Mittelschicht wahrscheinlich auch ihre einzig mögliche Alternative zur NSDAP.“

Wer heute pauschal von “linker” Politik spricht oder schreibt, dabei implizit Demokraten – wie SPD und Grüne – mit linksextremen Verfassungsfeinden gleichsetzt (Doppelter Rabulisten-Umkehrschluss: Letztere sind Verfassungsfeinde, alle sind aber auch „Links“, deswegen alle auch totalitär wie die Rechtsextremisten) leistet einer Wiederholung von Northeim mit einiger Sicherheit Vorschub.

Die „Linkskeule“ heute ist genauso inhaltlich hohl wie die „Faschismuskeule“ der 1970er.

CDU war nie gleich NxD, SPD/Grüne nicht gleich AxD.

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Werner Hoffmann
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Northeim 30 —> https://youtu.be/cxFHgBqnPTo?si=Jwm9W8weP61SszS7

Hier ein Song daraus

Songtext:

„Northeim ’30“

(Strophe 1)

Es beginnt ganz leise, kaum jemand merkt’s,

Ein Wort hier, ein Blick dort – und der Zweifel wächst.

Sie nennen es Ordnung, sie nennen es Recht,

Doch der Sturm zieht auf, unsichtbar und echt.

(Pre-Chorus)

Sie sagen: „Alle sind gleich, alle sind schuld“,

Doch sie spielen ein Spiel mit kalkulierter Geduld.

Die Wahrheit verdreht, bis keiner mehr fragt,

Bis Mittelschicht, Presse und Rat versagt.

(Chorus)

Northeim ’30, es passiert überall,

Ein kleiner Riss wird zum tiefen Fall.

Wenn Wahrheit verblasst und die Mitte zerbricht,

Dann siehst du den Abgrund, doch erkennst ihn nicht.

(Strophe 2)

Sie malen Gespenster, schüren die Angst,

Erfinden den Feind, der das Land verbrannt.

Die einen sind „rote Gefahr“, die anderen „zu weich“,

Bis der letzte Schutzwall schließlich weicht.

(Pre-Chorus)

Und die Zeitung schweigt, bleibt „neutral“,

Doch Neutralität wird fatal zur Wahl.

Wenn die Stimme versagt, wenn keiner mehr spricht,

Dann wird Dunkelheit wieder zum Licht.

(Chorus)

Northeim ’30, es passiert überall,

Ein kleiner Riss wird zum tiefen Fall.

Wenn Wahrheit verblasst und die Mitte zerbricht,

Dann siehst du den Abgrund, doch erkennst ihn nicht.

(Bridge)

Geschichte schreibt sich nicht neu von allein,

Sie braucht den Moment, sie braucht unser Schweigen.

Doch wer nicht spricht, wer nicht versteht,

Der sieht den Schatten erst, wenn er schon steht.

(Outro)

Es passiert in Northeim, passiert auch hier,

Wenn Sprache verdreht, wenn der Geist erfriert.

Doch wer jetzt erkennt, wer jetzt nicht schweigt,

Der macht Geschichte – nicht nur ihre Zeit.

Der Songtext spiegelt die schleichende Zersetzung demokratischer Strukturen wider, die in Northeim untersucht wurde, aber eine universelle Warnung darstellt. Wenn Sprache manipuliert und demokratische Kräfte diffamiert werden, öffnen sich Türen, die niemand öffnen sollte.

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