Ein Beitrag von
Zum Vorlesen
Die Website „wirtschaftlichefreiheit.de“ weckt auf den ersten Blick Vertrauen:
Ein akademisch anmutender Titel, Beiträge von Professoren und Experten sowie eine professionelle Aufmachung.
Doch bei genauerem Hinsehen offenbaren sich besorgniserregende Hintergründe, die den Anspruch auf neutrale Information erheblich infrage stellen.
Ein fragwürdiges Impressum
Bereits das Impressum der Seite ist nicht vollständig, wie es das Telemediengesetz (TMG) fordert.
Als Kontaktperson wird Norbert Berthold genannt – ein Ökonom, der sich seit Jahren in kontroversen Debatten positioniert.
Sein Name ist nicht unbekannt, vor allem wenn man sich mit neoliberalen Wirtschaftskonzepten und eurokritischen Positionen auseinandersetzt.
Der Titel „Wirtschaftliche Freiheit“ klingt zunächst harmlos.
Doch der Begriff lässt sich auch als Synonym für neoliberale Ideologien verstehen, die marktradikale Ansätze und die Minimierung staatlicher Eingriffe propagieren.
Was als wissenschaftliche Plattform erscheint, könnte sich somit als einseitige Lobbyarbeit entpuppen.
Verbindungen zu umstrittenen Kreisen
Was die Seite besonders beunruhigend macht, sind die politischen Hintergründe ihres prominentesten Vertreters.
Laut Wikipedia war Norbert Berthold Mitunterzeichner des eurokritischen Manifests „Die währungspolitischen Beschlüsse von Maastricht:
Eine Gefahr für Europa“ (1992) sowie des „Hamburger Appells“ (2005), der sich gegen staatliche Regulierungen aussprach.
Noch brisanter:
Berthold war ein Stammautor auf dem Blog „Die Freie Welt“, der von den AfD-nahen Politikern Beatrix und Sven von Storch betrieben wird.
Selbst 2018 wird er dort noch als Blogger im Impressum genannt.
Die Nähe zu dieser Plattform, die für rechtspopulistische Inhalte bekannt ist, wirft ein düsteres Licht auf die vermeintlich wissenschaftliche Neutralität von „wirtschaftlichefreiheit.de“.
Einseitige Berichterstattung
Ein weiteres Problem ist die selektive Themenwahl und Darstellung auf der Website.
Beiträge kritisieren wiederholt staatliche Sozialsysteme wie die Rentenversicherung, ohne dabei die Gesamtsituation differenziert zu beleuchten.
So wird beispielsweise suggeriert, dass die gesetzliche Rentenversicherung zum Scheitern verurteilt sei, da die Anzahl der Rentner steige und die Zahl der Erwerbstätigen sinke.
Doch ein Blick auf die Fakten zeigt ein anderes Bild:
Von 2010 bis 2024 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland von 40 auf 46 Millionen.
Zudem trägt die Rentenversicherung heute enorme Zusatzlasten, die politisch beschlossen wurden, wie
– Erziehungzeiten
– Berückdichtigungszeiten
– Mütterrente,
– Grundsicherung
– oder Zuschläge für die Grundrente.
Diese werden nicht vollständig aus dem Bundeshaushalt gegenfinanziert.
Natürlich ist es sinnvoll, die gesetzliche Rentenversicherung durch betriebliche und private Altersvorsorge zu ergänzen.
Doch ein reines Kapitaldeckungssystem birgt enorme Risiken, wie Finanzkrisen eindrucksvoll gezeigt haben.
Auch wäre die Wiedervereinigung von Deutschland mit einem Kapitaldeckungsverfahren nicht durchführbar gewesen, außer der Steuerzahler hätte für die aus der DDR stammenden Bürger einen entsprechenden 3-Stelligen Mrd.-Betrag aufgebracht.
Nur durch das Umlageverfahren war es möglich die damaligen DDR-Rentner zu integrieren.
Ebenso wird sehr oft behauptet, dass die Rentenversicherung unwirtschaftlich wäre oder das falsche System wäre.
Aufgrund meiner Ausbildungen (auch Versicherungskaufmann in der Kranken- und Lebensversicherung kenne ich die Vorteile und Nachteile alle gesetzlichen und privaten Versorgungssysteme.
Beide Systeme ergänzen sich. Je nach Jahrzehnt kann auch die gesetzliche Rentenversicherung erhebliche Vorteile haben; wenn in ca 20 Jahren die geburtenstarken Jahrgänge wegsterben und in Deutschland zwar selbst zu wenig Kinder (heute) geboren wurden, wird höchstwahrscheinlich die Zuwanderung neue Erwerbstätige in Deutschland eingliedern.
Man sollte auch nicht übersehen, dass die gesetzliche Rentenversicherung mit Umlageverfahren eine ideale Ergänzung durch die betriebliche Altersversorgung und private Altersversorgung jeweils als Kapitaldeckungsverfahren braucht, wobei die bAV eine Pflicht werden muss.
Fazit
„wirtschaftlichefreiheit.de“ zeigt einmal mehr, wie vermeintlich wissenschaftliche Plattformen genutzt werden können, um ideologische Botschaften zu verbreiten.
Die Nähe zu umstrittenen Kreisen, ein fragwürdiges Impressum und eine einseitige Darstellung von Themen lassen an der Seriosität dieser Seite zweifeln.
Leser sollten die Inhalte kritisch hinterfragen und sich bewusst sein, dass hier nicht die ganze Wahrheit präsentiert wird.
Bleiben Sie wachsam und informieren Sie sich aus verschiedenen, neutralen Quellen – besonders bei Themen, die unser aller Zukunft betreffen.