«Ich habe mich für die Schweiz noch nie so geschämt»

20Minuten: „Toni Frisch spricht Klartext, dafür ist der Alt-Botschafter bekannt. Ein Gespräch über «Putinversteher» und seine Enttäuschung über die Rolle der Schweiz.

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Darum gehts: Es gibt nicht viele, die mehr zum Krieg in der Ukraine wissen als Alt-Botschafter Toni Frisch (77).

Von 2015 bis 2021 war er OSZE-Koordinator der Arbeitsgruppe Humanitäre Fragen in der Ostukraine.

Schon nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl leitete er Hilfsprogramme vor Ort, kannte Michail Gorbatschow und andere hohe Funktionäre der ehemaligen UdSSR.

Frisch ist für bekannt dafür, kein Blatt vor denMund zu nehmen. Ein Gespräch über Russlands Angriffskrieg, Roger Köppel und die Rolle der Schweiz.“

„Was sagen Sie zur Haltung der Schweiz in den letzten eineinhalb Jahren?

Ich habe mich für die Schweiz und unsere Regierung noch nie so geschämt.

Wieso schämen Sie sich für die Schweiz?

Wir verstecken uns hinter der Neutralität – hinter den Herrliberger-Scheuklappen, wie ich sie gerne nenne.

Die Diskussionen um die Waffenausfuhr, um die 25 alten Panzer, waren lächerlich. Vor allem aber: Wir stehen weit unten auf der Liste der Länder, welche sich humanitär für die Ukraine engagieren.

Die Schweiz macht lange nicht, was sie tun sollte. Sie zeigt sich sehr zögerlich und knauserig. Das schadet auch unserem Ruf in der Welt.“

#Schweiz #Krieg #Ukraine #Russland #Putin #Köppel

Darum gehts

  • Es gibt nicht viele, die mehr zum Krieg in der Ukraine wissen als Alt-Botschafter Toni Frisch (77).
  • Von 2015 bis 2021 war er OSZE-Koordinator der Arbeitsgruppe Humanitäre Fragen in der Ostukraine.  
  • Schon nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl leitete er Hilfsprogramme vor Ort,  kannte Michail Gorbatschow und andere hohe Funktionäre der ehemaligen UdSSR.
  • Frisch ist für bekannt dafür, kein Blatt vor denMund zu nehmen. 
  • Ein Gespräch über Russlands Angriffskrieg, Roger Köppel und die Rolle der Schweiz.

Toni Frisch ist ein Schweizer der alten Schule, pragmatisch und mit Haltung. Im Krieg in der Ukraine war er von Anfang an involviert (Box unten). Ein Telefonat ins Welschland, wo Frisch gerade am Weinlesen ist.

Herr Frisch. Viele machen die Nato mit ihrer Osterweiterung für den Angriff auf die Ukraine verantwortlich, man habe Russland dazu gedrängt. Was sagen Sie dazu?


Dass die Dichte an Putinverstehern, die wir in der Schweiz haben, bedenklich hoch ist.
Wie erklären Sie sich das?

Ich kann es mir nicht so ganz erklären. Für mich sind das abgeschottete Leute und solche, die sich nicht interessieren. Es sind oft notorische Nein-Sager, die Wissenschaft, Medien und Politik gleichermassen und prinzipiell in Frage stellen, aber die Effizienz der Propaganda nicht erkennen.

Es sind längst nicht nur alle SVP-Anhänger der konservativen Sorte. Im «Bund» bezeichnete auch eine SP-Politikerin die Nato als Kriegstreiberin. Ich schrieb ihr, dass es grotesk sei, wenn eine Nationalrätin – ich sage jetzt nicht, dass es Margret Kiener Nellen war – auf diesem Informationsstand sei und eine solche Haltung vertrete.
Wie reagieren Sie auf «Putinversteher»?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel. Bei einem Referat kam ein Mann zu mir. Er sei als SVP-Anhänger in der Ukraine-und Neutralitätsfrage ganz auf der Linie der «Weltwoche». «Hören Sie», sagte ich ihm, «Putin spricht von Genozid, von Völkermord im Donbass und der Notwendigkeit der Entnazifizierung der Ukraine. Das ist an den Haaren herbeigezogen, Putin ist ein Lügner.

Aber auch ein Roger Köppel sagte die Unwahrheit, wenn er in der ‹Weltwoche› behauptet, dass sich die Schweiz nun im Krieg befinde, weil sie die Sanktionen des Westens mitträgt.» Man muss die Dinge beim Namen nennen.
«Wir kennen die Realitäten in Russland. Wer das nicht tut, will es nicht wissen.»
Toni Frisch
Immerhin reiste Roger Köppel nach Russland, um – angeblich anders als die «Massenmedien» – drei Tage aus Moskau zu berichten.
Und, was berichtete er? Dass alles nicht so schlimm sei? Das ist ja lächerlich. Wir kennen die Realitäten in Russland. Wer das nicht tut, will es nicht wissen.
Was sagen Sie zur Haltung der Schweiz in den letzten eineinhalb Jahren?
Ich habe mich für die Schweiz und unsere Regierung noch nie so geschämt.
Wieso schämen Sie sich für die Schweiz?

Wir verstecken uns hinter der Neutralität – hinter den Herrliberger-Scheuklappen, wie ich sie gerne nenne. Die Diskussionen um die Waffenausfuhr, um die 25 alten Panzer, waren lächerlich. Vor allem aber: Wir stehen weit unten auf der Liste der Länder, welche sich humanitär für die Ukraine engagieren. Die Schweiz macht lange nicht, was sie tun sollte. Sie zeigt sich sehr zögerlich und knauserig. Das schadet auch unserem Ruf in der Welt.
«Es fehlten Engagement und Gesamtkonzept. So blieb es bei schönen Worten.»

Wie ist die Zurückhaltung im humanitären Bereich zu erklären?
Die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit hat die benötigten Mittel nicht – und kämpft auch nicht entschlossen genug dafür. Obgleich die Bedürfnisse wachsen, ist beim geplanten, neuen Rahmenkredit vielmehr sogar ein finanzieller Rückbau vorgesehen. Kommt dazu, dass die Deza unter ihrer Direktorin in einer schwieriger Lage ist, weil diese im Schweizer Parlament nur noch ungenügend verankert ist.
Was müsste die Schweiz Ihrer Meinung nach tun?
Ich bin insbesondere von unserem Aussendepartement enttäuscht. Auf der Lugano-Konferenz letztes Jahr hätten wir uns verbindlicher einsetzen müssen. Sie war ein Geschenk und hätte uns international Prestige eingebracht. Man hätte dort wirklich etwas anpacken können, etwa die internationale Koordination im Bereich Entminung. Doch letztlich fehlten Engagement und Gesamtkonzept. So blieb es bei den schönen Worten.
«Für mich enttäuschend und geradezu vermessen.»
Toni Frisch
Soeben hat der Bundesrat 100 Millionen Franken für die Minenräumung beschlossen. Sind Sie damit nicht zufrieden?
Nein, eigentlich nicht. Zusammen mit einer kleinen Gruppe Ehemaliger des EDA haben wir dem EDA nebst anderen Massnahmen genau das bereits im Frühjahr 2022 vorgeschlagen. Ich habe sogar Bundesrat Cassis kurz vor der Konferenz persönlich geschrieben, dass die Schweiz beziehungsweise er selbst unbedingt ein sehr konkretes, verbindliches Zeichen setzen sollte. Damit wäre auch die nachhaltige Wirkung der Konferenz erhöht.
Wir sollten doch im Bereich Entminung vorangehen, wo wir Ressourcen und Know-how haben – und dazu gleich eine Nachfolgekonferenz auf technischem Niveau vorschlagen und die nötigen Schritte einleiten. Dass das alles nun so lange dauerte und man immer noch von einer «Vorreiterrolle der Schweiz» spricht, ist für mich enttäuschend und geradezu vermessen.

Demokratie in Gefahr

Wie Russland und China und andere Staaten, Institutionen und Personen die Demokratie vernichten wollen

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Guten Morgen liebe Leserin, lieber Leser,
wenn Demokraten beginnen, den Feinden der Demokratie nach dem Mund zu reden, geraten Recht und Toleranz ins Wanken.

Die Art und Weise, wie in diesem Herbst über Flüchtlinge diskutiert wird, wie Migranten von vielen Politikern und Medien ausschließlich als Problem dargestellt werden, wie im Internet, in Kneipen und in Wohnzimmern die allgemeine Wut über die Wirtschafts- und Inflationskrise brodelt, weist beunruhigende historische Parallelen auf.

Geschichte wiederholt sich nicht, und das Deutschland von heute ist zum Glück ein gefestigter Rechtsstaat.

Aber eine Demokratie ist kein Naturgesetz, sie muss jeden Tag aufs Neue belebt und verteidigt werden, sonst verdorrt sie und stirbt irgendwann.

Leider ist die gegenwärtige Welt- und Wirtschaftslage nicht förderlich für Demokratien.

Im Gegenteil, sie fordert Demokraten hart heraus.

Auch hierzulande, von Woche zu Woche in stärkerem Maße. Die deutsche Wirtschaft taumelt in die Krise, Insolvenzen häufen sich, die Inflation bleibt hoch, immer mehr Menschen müssen jeden Euro zweimal umdrehen.

Ob durch eigene Fehler oder aufgrund des kollektiven Frustes nach vier Jahren Corona- und Kriegs-Erschöpfung der Bevölkerung:

Die Regierenden ernten wachsenden Zorn und Verachtung, immer mehr Bürger lehnen das politische System rundheraus ab.

Rund ein Drittel der Befragten in der neuen „Mitte-Studie“ vertritt völkisch-autoritäre, populistische und verschwörungsgläubige Positionen.

Extremisten und Populisten rechts und links erstarken, ob sie nun Höcke oder Wagenknecht heißen.

In Thüringen flirten CDU-Parlamentarier mit der radikalen AfD-Truppe, die den Rechtsstaat torpediert und die EU abschaffen will.

Derzeit noch mit verbalen Angriffen, aber das muss nicht so bleiben.

Die Verbote der Neonazi-Gruppen „Hammerskins“ und „Artgemeinschaft“ verdeutlichen, wie tief das rechte Gift schon in die Gesellschaft hineingesickert ist. In Bayern machen AfD-Politiker mit SA-Parolen Wahlkampf.

Manche AfD-Kader verstehen sich als parlamentarischer Arm militanter Verfassungsfeinde.

Andere pflegen dubiose Verbindungen zu ausländischen Geheimdiensten, wie unser Recherche-Team soeben aufgedeckt hat:

Das Umfeld des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl hat Geld aus China erhalten.

Offenkundig versucht nicht nur der Diktator in Moskau, sondern auch der in Peking, die deutsche Demokratie zu destabilisieren, indem er hierzulande Extremisten aufpäppelt.

Wer sich für Geschichte interessiert, dem kommt all das auf unheimliche Weise bekannt vor:

die tiefe Wirtschaftskrise, die kollektive Wut auf die Regierenden, das Erstarken der Extremisten und das Schwanken der Demokraten, die ausländische Einflussnahme.

https://www.t-online.de/nachrichten/tagesanbruch/id_100252540/deutsche-demokratie-geraet-unter-beschuss.html

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Der Originalartikel ist über diesen Link erreichbar —> https://www.linkedin.com/posts/werner-seeburger-71aa1520_deutsche-demokratie-ger%C3%A4t-unter-beschuss-activity-7114477335738769408-J6Gz?utm_source=share&utm_medium=member_ios