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Es scheint eine überraschende Wendung zu geben:
Friedrich Merz, bisher ein vehementer Verteidiger der Schuldenbremse,
spricht sich plötzlich für deren Reform aus.
Dieser Sinneswandel ist bemerkenswert, vor allem vor dem Hintergrund seiner jahrelangen Blockadehaltung.
Gemeinsam mit seiner Partei nutzte Merz die FDP in der Ampel-Koalition als Werkzeug, um jede Anpassung zu verhindern.
Letztlich führte diese ideologisch getriebene Haltung sogar zum Bruch der Regierung.
Natürlich ist der jetzige Schritt dringend erforderlich. Doch die Frage drängt sich auf: Warum erst jetzt? Die Reform hätte längst erfolgen können, ja müssen. Es gab in der Vergangenheit bereits politische Mehrheiten dafür, doch diese Chance wurde vertan. Der späte Richtungswechsel könnte taktischer Natur sein – ein Versuch, den Weg zur Kanzlerschaft zu ebnen, ohne Rücksicht auf die bisher versäumten Chancen für das Land. Nach der nächsten Bundestagswahl droht zudem eine gefährliche Entwicklung: Sollte die AfD gemeinsam mit einer möglichen Wagenknecht-Partei eine Sperrminorität bilden, könnten sie entscheidende Reformen blockieren und ihre politischen Ziele durchsetzen, die möglicherweise Putins Interessen zugutekommen.
In dieser angespannten Lage ist es entscheidend, dass die demokratischen Parteien zusammenhalten. Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, hat bereits vor Monaten eindringlich gewarnt: „Der Staat ist kaputtgespart.“ Der Investitionsstau betrifft essenzielle Bereiche wie Schulen, Verkehrsinfrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung – all jene Sektoren, die das Fundament unserer Gesellschaft und Wirtschaft bilden.
Die drohende Wiederwahl Donald Trumps verschärft die Lage zusätzlich. Eine US-Regierung unter Trump dürfte ihre Unterstützung für die Ukraine zurückfahren und ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Europa noch stärker einschränken. „America First“ wird dann endgültig zur Maxime. Für Deutschland bedeutet das: massive Investitionen sind unumgänglich, um den gewaltigen Investitionsstau aufzulösen.
Seit zwei Jahrzehnten leidet das Land unter chronischer Unterfinanzierung öffentlicher Projekte. Die Bahn benötigt allein 90 Milliarden Euro, und selbst wichtige Forschungsbereiche wie Batterietechnologie oder Wasserstoff werden gekürzt. Die Ökonomin Isabella Weber weist zurecht darauf hin, dass die Kombination aus Investitionsstau und Schuldenbremse verheerend ist. Während Deutschland die niedrigste Staatsschuldenquote unter den G7-Ländern aufweist, hinkt das Wirtschaftswachstum hinterher.
Hinzu kommt die fehlende Krisenvorsorge. Ob Pandemie, Russlands Angriffskrieg oder die Klima- und Artenkrise – die Schuldenbremse hat sich seit ihrer Einführung 2009 als Brandbeschleuniger in Krisenzeiten erwiesen. Der absurde Mechanismus dahinter: Erst wenn eine Krise so gravierend ist, dass die Schäden kaum noch zu bewältigen sind, wird ein Notfallhaushalt möglich. Für den Klimaschutz wäre dies schlicht zu spät.
Institutionen wie der Internationale Währungsfonds, die OECD oder die Bundesbank drängen seit Jahren auf eine Reform der Schuldenbremse – ebenso wie mehrere CDU-Ministerpräsidenten. Doch Friedrich Merz und Christian Lindner haben diese Forderungen bislang ignoriert.
Es wäre daher von größter Dringlichkeit, die Schuldenbremse noch vor den nächsten Wahlen zu reformieren. Nur so könnte verhindert werden, dass eine mögliche Sperrminorität von AfD und Wagenknecht-Partei jede Anpassung blockiert. Es liegt in unserem Interesse, zu verhindern, dass Deutschland durch solche Kräfte weiter geschwächt wird – ein Szenario, das wohl vor allem in Moskau auf Zustimmung stoßen dürfte.