Wenn die Presse bedroht wird, ist es vorbei mit lustig

Ein hohes Gut ist auch die Pressefreiheit

Ein Beitrag von

Mehrere hundert Landwirte und andere Demonstranten haben heute Nacht die Zufahrten zum Medienzentrum der Allgäuer Zeitungsverlag GmbH blockiert und die Auslieferung unserer Zeitungen behindert. Begründung ihrer Aktion: Frust über die Politik der Bundesregierung und Unzufriedenheit mit der Berichterstattung der Medien.

Die Stimmung vor Ort war aufgeladen und teilweise aggressiv. KollegInnen fühlten sich bedroht. Damit war auch für die Polizei eine Grenze erreicht. In der Nacht setzte sie noch auf Deeskalation, heute fand ein sehr intensives Gespräch zwischen Beamten und Wortführern der Aktion statt, bei dem Letzteren sehr deutlich die Grenze zwischen legitimem Protest und Bedrohung der Pressefreiheit aufgezeigt wurde.

Anschließend besuchten uns fünf der Demonstranten in der Redaktion – wir hatten diesen Gesprächstermin noch in der Nacht vereinbart.
Das Gespräch mit dieser Abordnung war absolut vernünftig und konstruktiv. Man fühle sich bisweilen falsch dargestellt, hieß es. In der Berichterstattung über die Belange der Landwirte sei es bei uns auch zu Fehlern gekommen. Etwa, wenn es um Details der Nitratwerte im Grundwasser ging. Es ging um journalistische Sorgfaltspflicht, Recherche, Abläufe und die Frage, wie Redaktionen eigentlich arbeiten. Aber auch um Verunsicherung und Zukunftssorgen dieser Fünf. Es war ein guter Austausch. Wir haben viel erklärt, vereinbart in Kontakt zu bleiben und Telefonnummern ausgetauscht.

Weitaus erschreckender waren verschiedene Vorwürfe und Behauptungen bei der ungenehmigten Demo in der Nacht. Ihnen sei ja klar dass wir als Medien die Regierung „nicht kritisieren dürfen“, hieß es da zum Beispiel. Warum wir das nicht „dürfen“, konnte niemand erklären. Oder dass wir Medien die Haushaltspolitik der Bundesregierung in den letzten Wochen nicht kritisch hinterfragt hätten. Wir hatten dutzende Artikel, Kommentare und Analysen zu diesem Thema. Dass wir – „natürlich“ staatlich gelenkt – zwar über die Demos gegen Rechtsextremismus berichteten, aber nicht über die Proteste der Landwirte und mittelständischen Unternehmer, war eine weitere Behauptung. Wir hatten sicher Berichte in hoher zweistelliger Höhe zu den Protesten im Blatt.

Es waren Phrasen und Versatzstücke, Gerüchte und haltlose Behauptungen, die so oder ähnlich vor allem bei Telegram & Co verbreitet werden – und ganz offensichtlich bei Menschen verfangen.

Vor ein paar Jahren hätte man als unzufriedener Leser oder Lobbyist in der Redaktion angerufen und um ein Gespräch gebeten – und dieses auch bekommen. Heute ziehen ein paar hundert Leute nachts vors Firmentor und blockieren mit schweren Maschinen die Zugänge – inszeniert und begleitet von einer PR-Maschinerie bei Telegram und WhatsApp, Drohnenvideo inklusive. Es sind schwierige Zeiten für den politischen Diskurs in Deutschland. Und wir Medien müssen ganz offensichtlich noch viel besser erklären, wie wir arbeiten. #medien #journalismus #pressefreiheit #protest

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Quelle: —> https://www.allgaeuer-zeitung.de/allgaeu/bauerndemo-medienzentrum-allgaeuer-zeitung-4-2-2024-bauernprotest-kempten_arid-696992

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Ein Kommentar von Werner Hoffmann

Die Pressefreiheit gegenüber Staat, aber auch gegenüber anderen Gruppen ist ein hohes Gut. Natürlich muss die Presse dabei auch demokratische Regeln beachten. Im Falle der Allgäuer Zeitung ist dies auch der Fall.

Es ist ein NoGo, wenn ein wütender Mob die Pressefreiheit kapert und die freie und demokratische Presse behindert.

Und gleiches gilt auch, wenn Politiker bedroht werden. Gewalt gegenüber den demokratischen Institutionen haben in einer Demokratie nichts zu suchen.

Wenn Telegram oder andere soziale Medien die Demokratie gefährden, muss auch darüber nachgedacht werden, diese sozialen Medien ggf. einzuschränken. Dabei ist es eigentlich egal, ob es sich um ein Buch handelt, einen Film, eine Internetseite, ein soziales Medium, eine Person, eine Gruppe oder Partei.

Wer die Demokratie behindert oder unsere Grundwerte, die im Grundgesetz stehen, gefährdet, verdient die volle Härte der demokratischen Regelungen.

Und diese Härte wird leider oft zu vorsichtig angewendet, wodurch gerade undemokratische Kräfte immer stärker provozieren.

Und genau deshalb muss unsere Demokratie auch frühzeitig eine klare Härte zeigen.

Demokratie bedeutet nicht, dass jeder alles machen kann.