Ein Beitrag von Werner Hoffmann
Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie im Jahr 2019 tobt eine weltweite Debatte: Stammt das Virus aus einem chinesischen Forschungslabor – oder erfolgte die Übertragung auf den Menschen über Wildtiere? Eine neue, international vielbeachtete Studie im Fachjournal Cell liefert nun deutliche Hinweise, dass der Ursprung des Virus wohl in einem altbekannten Problem liegt: dem globalen Wildtierhandel.

Genetische Spuren führen nach Südchina und Nordlaos
Ein Forschungsteam um Jonathan Pekar (University of California) und Michael Worobey (University of Arizona) hat genetisches Material von Fledermäusen und Umweltproben aus Wuhan analysiert. Das Ergebnis: Die nächsten bekannten Verwandten von SARS-CoV-2 stammen aus Fledermäusen in Westchina und Nordlaos – Regionen, die über 2.000 Kilometer von Wuhan entfernt liegen. Fledermäuse der Gattung Hufeisennase, die diese Viren in sich tragen, bewegen sich nachts aber nur wenige Kilometer und haben kleine, lokale Lebensräume.
Daraus schlussfolgern die Forscher: Der direkte Weg über Fledermäuse als „natürlicher Flugkurier“ bis nach Wuhan ist äußerst unwahrscheinlich. Stattdessen sei es viel plausibler, dass infizierte Tiere – etwa Marderhunde oder Schleichkatzen – über Märkte oder Zuchtstationen nach Wuhan gebracht wurden.

Parallelen zur SARS-Epidemie von 2002
Diese Erklärung hat historische Parallelen: Bereits beim ersten SARS-Ausbruch 2002 in der Provinz Guangdong wurde das Virus (SARS-CoV-1) über Wildtiere verbreitet – wahrscheinlich über Marderhunde oder Schleichkatzen, die auf Tiermärkten verkauft wurden. Auch damals stammte das Virus ursprünglich aus Westchina und wurde über den Handel in die Städte gebracht, wo es schließlich auf den Menschen übersprang.
Die Studie in Cell argumentiert: Die zeitliche Distanz zwischen dem Ursprung der Fledermaus-Viren und dem Ausbruch beim Menschen war bei SARS-CoV-1 wie bei SARS-CoV-2 gering – nur wenige Jahre. Damit spricht vieles dafür, dass der Mechanismus ähnlich war: Zoonose durch Wildtierhandel.
Umweltproben aus dem Huanan-Markt stützen die These

Zentrale Belege finden sich auch am Ort des ersten bekannten Covid-19-Ausbruchs: dem Huanan Seafood Market in Wuhan. Bereits 2023 hatten Forschende Umweltproben aus dem Markt veröffentlicht, die sowohl das Erbgut von SARS-CoV-2 als auch von Marderhunden enthielten – ein möglicher Zwischenwirt des Virus. Zwar wurde nie ein infiziertes Tier direkt gefunden, doch die genetischen Spuren sprechen eine deutliche Sprache.
„Es ist wie bei einem Kriminalfall, bei dem der Verdächtige nicht mehr am Tatort ist, aber seine DNA auf der Waffe gefunden wird“, sagte Michael Worobey. In der Summe entsteht ein klares Bild: Die Verbreitung über Wildtiere ist die wahrscheinlichste Erklärung.
Und das Labor?

Die Laborthese, die vor allem von politischer Seite aus den USA seit Jahren wiederholt wird, verliert mit diesen neuen Daten weiter an Plausibilität. Zwar schließen die Forscher einen Laborunfall nicht vollständig aus, doch die vorliegenden Muster decken sich in verblüffender Weise mit dem natürlichen Ursprung von SARS-CoV-1 im Jahr 2002. Joel Wertheim, ein Mitautor der Studie, sagt dazu: „Wir sehen keine Anomalien bei SARS-CoV-2, die auf eine künstliche Manipulation hindeuten würden. Die Muster sind typisch für eine natürliche Evolution.“
Die neuen Analysen fokussierten sich auf jene Abschnitte des Virus-Erbguts, die nicht durch Rekombinationen verfälscht wurden – ein häufiges Problem bei Coronaviren, die in Fledermäusen starkes genetisches Material austauschen. Dadurch gelang es dem Team, ein präziseres Bild der Virusentwicklung zu zeichnen als in früheren Studien.
Fazit: Die Natur ist oft die gefährlichste Quelle
Die Forscher mahnen zur Vorsicht: Solange der internationale Wildtierhandel floriert, bleiben solche Zoonosen wahrscheinlich. Die Ausbreitung von SARS-CoV-2 sei kein Einzelfall, sondern Folge menschlicher Eingriffe in Ökosysteme, Massentierhaltung und globalisierter Märkte.
Obwohl einige Fragen weiterhin offen bleiben – insbesondere nach dem „Patient Zero“ – zeichnet sich immer klarer ab: Der Ursprung der Pandemie liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in einem Labor, sondern in der Missachtung natürlicher Grenzen.