Von Sonderschule zur Hochschule – Warum unser System Hochbegabte oft scheitern lässt

Ein Beitrag von Werner Hoffmann

Der kleine Teddy Hobbs – und die große Frage: Was misst ein IQ-Test wirklich?

Die Schlagzeilen gingen um die Welt:

Teddy Hobbs, gerade einmal zweieinhalb Jahre alt, wurde als jüngstes Mitglied in den Hochbegabten-Club Mensa aufgenommen.

Mit 26 Monaten konnte er lesen, mit 3 Jahren auf Chinesisch bis 100 zählen. Solche Einzelfälle faszinieren – doch sie zeigen auch:

Intelligenz kann sich früh und völlig untypisch äußern.

Doch was ist mit all den Kindern, die ebenso intelligent sind, aber keine Förderung bekommen – oder schlimmer noch: in Sonderschulen abgeschoben werden?

Historischer Rückblick: Wie war das eigentlich vor 1969 in deutschen Schulen?

Vor der Bildungsreform 1969 war das deutsche Schulsystem rigide und selektiv.

Bereits nach der vierten Klasse entschied der Klassenlehrer – oft willkürlich – über die weitere Schulkarriere:

  • Gymnasium: wenn das Kind aus gutem Elternhaus kam, ruhig war und „mitmachte“
  • Hauptschule: wenn es lebhaft oder „auffällig“ war
  • Sonderschule: bei Verdacht auf Lernprobleme – ohne fachliche Diagnose

Psychologische Gutachten?

Fast nie. Elternwiderspruch? Nur schwer durchsetzbar.

Besonders betroffen:

Kinder mit ADHS, Hochbegabung oder aus Arbeiterfamilien.

Auch Mädchen wurden systematisch unterschätzt.

Viele hochintelligente Kinder scheiterten an einem System, das sie nie verstand.

Ein deutsches Schicksal: Die wahre Geschichte von Axel P.

Im Jahr 1970: Axel P. (Name geändert) war bis zum zehnten Lebensjahr drei Mal umgezogen auch zwischen Bundesländern (Eltern geschieden, „neuer Papa bekommen“ etc.) –.

In der vierten Klasse galt er als verhaltensauffällig und still. Die Empfehlung des Lehrers: Sonderschule.

Nur durch den entschiedenen Protest seiner Mutter wurde ein psychologisches Gutachten angeordnet. Ergebnis:

  • Er war durch Mobbing sozial verschlossen
  • Zeigte Symptome von ADHS
  • IQ lag bei über 125

Er durfte auf die Hauptschule, wechselte nach dem Hauptschulabschluss auf die Realschule – und studierte später erfolgreich. Ohne seine Mutter hätte das System ihn aussortiert.

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Was ist eigentlich Intelligenz? Die vielen Formen des Denkens

Moderne Psychologie unterscheidet verschiedene Intelligenzformen – weit über das hinaus, was klassische IQ-Tests messen:

  • Sprachliche Intelligenz: Wortgewandtheit, Lesen, Schreiben
  • Logisch-mathematische Intelligenz: Zahlenverständnis, analytisches Denken
  • Räumlich-visuelle Intelligenz: Orientierung, bildhafte Vorstellungskraft
  • Emotionale Intelligenz: Empathie, Selbstwahrnehmung, soziale Kompetenz
  • Musikalische Intelligenz: Klanggefühl, Rhythmus
  • Kinästhetische Intelligenz: Körperbeherrschung, Motorik
  • Kreative Intelligenz: Ideenreichtum, unkonventionelle Lösungen

IQ-Tests messen meist nur einen kleinen Ausschnitt. Viele Talente bleiben unentdeckt.

Wie viele Menschen sind hochbegabt?

Der IQ wird nach Standardverteilung gemessen. Die Anteile sind ungefähr wie folgt:

  • IQ unter 70: geistige Behinderung (ca. 2,2 %)
  • IQ 70–85: unterdurchschnittlich (ca. 13,6 %)
  • IQ 85–115: durchschnittlich (ca. 68 %)
  • IQ 115–130: überdurchschnittlich (ca. 13,6 %)
  • IQ 130–145: hochbegabt (ca. 2 %)
  • IQ über 145: sehr hochbegabt (ca. 0,1 %)

Ein IQ von über 130 gilt als hochbegabt. Trotzdem werden viele dieser Kinder falsch eingeschätzt – oder übersehen.

Warum viele Hochbegabte scheitern – und was Mobbing damit zu tun hat

Kinder mit hoher Intelligenz wirken oft auffällig – nicht weil sie stören wollen, sondern weil sie unterfordert sind. Typische Merkmale:

  • Desinteresse am Unterricht, weil er zu langweilig ist
  • Soziale Isolation: andere Interessen, andere Sprache
  • Leistungsabfall durch fehlende Motivation
  • Mobbing durch Mitschüler

Gerade Mädchen passen sich oft an – und fallen dadurch nicht auf. Ihre Hochbegabung bleibt unentdeckt.

Was muss sich ändern?

Wir brauchen ein Bildungssystem, das erkennt statt aussortiert:

  • Frühe, standardisierte Intelligenzdiagnostik
  • Psychologische Unterstützung für Kinder, Lehrer und Eltern
  • Flexible Lernmodelle für unterschiedliche Intelligenztypen
  • Wertschätzung kreativer und emotionaler Begabungen

Und noch etwas ist besonders wichtig:

Es gibt Kinder, die zählen zu den Spätstartern. Da kann es auch durchaus sein, dass ein Kind in den ersten Schuljahren noch etwas länger braucht. Eine Wiederholung einer Klasse – auch in der Grundschule – kann durchaus hilfreich sein.

Fazit: Intelligenz ist ein Geschenk – aber nur, wenn wir sie erkennen

Die Geschichten von Teddy Hobbs und Axel P. zeigen:

Hochbegabung ist keine Garantie – aber auch kein Defekt.

Sie ist eine Chance, wenn wir sie erkennen.

Und eine Tragödie, wenn wir sie übersehen.

Unser Bildungssystem muss nicht aussortieren, sondern fördern.

Es muss verstehen, dass Intelligenz nicht normierbar ist – sondern vielfältig.

Nur dann können Kinder ihr volles Potenzial entfalten.

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