
Ein Beitrag von
Werner Hoffmann

Markus Söder gibt sich gerne als Hüter der Sprache. Gendern?
Überflüssig.
Woke?
Gefährlich.
Politische Korrektheit?
Ein Angriff auf den „gesunden Menschenverstand“.
Doch wenn man schon so lautstark über Sprache urteilt, dann lohnt sich eine Gegenfrage:
Markus Söder:
„Wie steht es eigentlich mit Begriffen wie Dorftrottel, oder mit den abfälligen Schimpfwörtern, die ganze Gruppen herabwürdigen – die N-, K- und Z-Wörter?
Sprache ist niemals neutral.
Sie zeichnet Grenzen, macht manche Menschen „normal“ und andere zu Außenseitern.
Gerade in Bayern, wo Söder seine Hochburgen pflegt, haben solche Begriffe eine lange Tradition:
der „Dorftrottel“
als verspottete Figur im Dorf,
die diskriminierenden Wörter gegen Minderheiten als Stammtisch-Vokabular, das immer noch viel zu oft fällt.
Markus Söder: Wenn ich das Wort #Dorftrottel denke, muss ich sofort an die Bay. Historie in Bezug auf die Wörter Inzest, Inzucht, Missbildungen, geistige Behinderung denken….
Insofern sind solche Wörter heute eigentlich doch tabu. Oder? Und das müsste ja auch dann für so manch andere Wörter gelten
Dazu gehören unter anderem
– das N-Wort,
– das Z-Wort (für Sinti und Roma),
– das M-Wort (für Menschen afrikanischer Herkunft in alten Kinderbüchern),
– sowie kolonialrassistische Begriffe wie Hottentotten
– oder herabsetzende Bezeichnungen für Menschen mit Behinderung.
– K-Wort (abwertendes Wort der deutschen Umgangssprache für Menschen aus Südosteuropa, dem Nahen und Mittleren Osten und Nordafrika).
——
Wer das Gendern bekämpft, aber gleichzeitig diese historisch belasteten Wörter verharmlost oder ignoriert, betreibt eine gefährliche Doppelzüngigkeit.
Denn es geht nicht um Sprachverbote, sondern um Respekt.
Und Respekt bedeutet:
die eigene Sprache so zu reflektieren, dass sie niemanden erniedrigt.

Resümee:
Markus Söder inszeniert sich als Verteidiger einer „bodenständigen Sprache“.
In Wahrheit wird so ein Kampf gegen Veränderung geführt, während die wirklich verletzenden Begriffe, die Menschen seit Generationen ausgrenzen, kaum eine Rolle spielen.
Wer also über „Gender-Wahnsinn“ spricht, sollte zuerst klären, warum er beim Thema Diskriminierung lieber schweigt.
#Söder #Bayern #Sprache #Diskriminierung #Genderdebatte
INZEST – Inzucht UND DORFTROTTEL – WARUM BAYERN ZUM KLISCHEE WURDE.

Wer in Bayern aufwächst, kennt die Stereotype: das Dorf, in dem „jeder jeden kennt“ – und manchmal auch ein bisschen zu genau. Der Begriff „Dorftrottel“ hat in der Volkskultur seinen festen Platz: eine Figur, über die man lacht, die man herumschickt und ausnutzt. Und das Schlagwort „Inzest“ wird bis heute von Außenstehenden gerne als Spottformel bemüht, wenn es um abgeschiedene, traditionsbewusste Dörfer geht. Doch was steckt wirklich hinter diesen Begriffen – und was verraten sie über Bayern und seine Dorfgemeinschaften?
1. Inzest als Mythos und Realität
„Inzest in Bayern“ – diese Vorstellung lebt vor allem von Karikaturen, Stammtischwitzen und alten Vorurteilen über das katholische, abgeschottete Land. Historisch betrachtet gab es in kleinen, ländlichen Gemeinden tatsächlich eine höhere Wahrscheinlichkeit für verwandtschaftliche Ehen. Nicht aus „Sittenlosigkeit“, sondern weil der Heiratsmarkt schlicht begrenzt war. Im 19. Jahrhundert war es normal, dass Bauernhöfe „in der Familie“ blieben, Cousin und Cousine heirateten, um Land und Besitz zu sichern. Heute wird das Thema oft nur noch als Schmähbegriff gegen konservative ländliche Milieus genutzt – eine Beleidigungswaffe von außen.
2. Der Dorftrottel – soziale Rolle statt Schimpfwort
Die Figur des „Dorftrottels“ hat eine lange Tradition in ganz Europa – auch in Bayern. Sie steht für den gesellschaftlichen Außenseiter, den geistig oder körperlich Benachteiligten, der von der Gemeinschaft zwar geduldet, aber auch verspottet wird. In der Literatur und im Volkswitz wird er häufig als Sündenbock oder Spaßmacher inszeniert. In Bayern erhielt dieser Begriff eine besondere Schärfe: Dort, wo die Dorfgemeinschaft extrem eng ist, wird der „andere“ schnell zum Negativsymbol der Normalität – und dient gleichzeitig zur Abgrenzung von dem, was „dazugehört“.
3. Bayern als Projektionsfläche
Warum verbindet man gerade Bayern mit „Inzest“ und „Dorftrottel“? Weil Bayern als kulturell eigenständig gilt: katholisch, bäuerlich, konservativ – und zugleich immer ein wenig „anders“ als der Rest Deutschlands. Diese Andersartigkeit macht es seit Jahrhunderten zum Ziel von Spott. Von der preußischen Arroganz im 19. Jahrhundert über Kabarettisten im 20. Jahrhundert bis hin zu Social-Media-Memes heute: Bayern ist die Lieblings-Karikatur der deutschen Gesellschaft.
4. Von Spott zu politischer Gefahr
Was auf den ersten Blick wie harmlose Häme klingt, kann jedoch gefährlich sein. Denn wer ganze Regionen mit Begriffen wie „Inzest“ oder „Dorftrottel“ stigmatisiert, betreibt eine Form von kulturellem Othering. Das stärkt rechte Parteien wie die AfD, die solche Ressentiments nutzen, um sich als „Stimme der beleidigten Provinz“ darzustellen. Die Ironie: Dieselben Politiker, die sich über „linke Eliten“ beschweren, spielen selbst mit den Klischees vom „dummen Dorfvolk“ – und inszenieren sich gleichzeitig als „Verteidiger des einfachen Mannes“.
5. Zwischen Wahrheit und Witz
Natürlich gibt es in Bayern wie überall: enge Dorfgemeinschaften, soziale Außenseiter, und auch problematische Traditionen. Aber: Aus diesen realen Strukturen pauschal „Inzest-Dorf“ oder „Dorftrottel-Republik“ zu machen, ist mehr als nur Spott – es ist eine politische Waffe. Sie lenkt von echten Problemen (z. B. Vetternwirtschaft in der CSU, Abhängigkeit von Automobil- und Agrarlobbys, oder kirchliche Machtstrukturen) ab und reduziert eine vielfältige Gesellschaft auf billige Witzfiguren.
Resümee: „Inzest“ und „Dorftrottel“ sind Begriffe, die Bayern seit Jahrhunderten begleiten – mal als Spott von außen, mal als Folklore von innen. Sie erzählen weniger über tatsächliche Lebensweisen, als über die Macht der Klischees und den Umgang einer Gesellschaft mit ihren Außenseitern. Wer sie leichtfertig verwendet, bedient nicht nur alte Vorurteile, sondern trägt dazu bei, dass sich das Bild von Bayern zwischen „liebenswertem Exoten“ und „hinterwäldlerischem Dorf“ verfestigt.
#Bayern #Inzest #Dorftrottel #Klischees #Gesellschaft