Ein Beitrag von Werner Hoffmann
An Bord lernte ich eine Frau aus Sachsen kennen.
Ihr sächsischer Dialekt, ihr Schimpfen auf „die Ausländer“ und ihre pauschale Abwertung der aktuellen Bundesregierung ließen schnell den Eindruck entstehen, dass es sich um eine AfD-nahe Wählerin handelte.
Sie sagte Sätze wie: „Überall nur noch Ausländer! 99 % Ausländer, 1 % Deutsche!“ – selbst an Bord, sogar der Kapitän sei kein Deutscher mehr.
Ich entschied mich, das Gespräch nicht zu vertiefen – auch, um mir meinen Urlaub nicht verderben zu lassen. Aber in einem Punkt hatte die Frau durchaus recht:
Das Personal an Bord besteht fast ausschließlich aus ausländischen Arbeitskräften.
Was mich jedoch nachdenklich stimmte, war weniger die Zahl der Nationalitäten an Bord – sondern die Reaktion vieler deutscher Gäste auf diese Realität.
Gerade aus dem Osten Deutschlands waren viele Passagiere vertreten – der Ton war oft geprägt von Skepsis gegenüber Ausländern, Widerstand gegen Windkraft, Ablehnung von Elektroautos und pauschalem Regierungshass.
Umso interessanter war die Stille, die plötzlich eintrat, als auf einem Ausflug berichtet wurde, dass Norwegen rund 95 % seines Stroms aus erneuerbarer Energie bezieht – überwiegend aus Wasserkraft und Windkraftanlagen.
Oder dass fast alle neu zugelassenen Autos und LKWs in Norwegen elektrisch fahren.
Man konnte förmlich spüren, wie das Selbstbild vieler ins Wanken geriet. Dort, wo man erwartet hatte, als „Technologieführer Deutschland“ zu glänzen, wurde plötzlich klar: Andere Länder sind längst weiter – und zwar mit genau den Technologien, die hier so oft belächelt oder verteufelt werden.
⚓ Die bittere Wahrheit hinter dem Urlaubsversprechen
- Es gilt italienisches Seearbeitsrecht, nicht deutsches Arbeitsrecht.
- Verträge werden meist über ausländische Dienstleister (z. B. Sea Chefs) geschlossen.
- Der deutsche Mindestlohn (12,82 €/h) findet keine Anwendung.
- Sozialversicherungsrechte und Kündigungsschutz gelten an Bord nicht.
- Schiffe gelten rechtlich als exterritorial – ein Graubereich der Globalisierung.
💶 Billiglöhne statt Wertschätzung: So sieht die Realität aus
- Kellner: 1.200–1.500 US-Dollar
- Küchenhilfen: 1.000–1.300 US-Dollar
- Kabinenpersonal: 1.000–1.400 US-Dollar
- Barkeeper: 1.400–1.800 US-Dollar
- Ausflugsguides: 30–50 € pro Einsatz (freiberuflich)
Pro Stunde entspricht das häufig nur 2,65–4,40 €, bei 12–14 Stunden täglicher Arbeit, sieben Tage die Woche, über Monate hinweg. Urlaubsgeld? Weihnachtsgeld? Fehlanzeige.
📉 Fehlende soziale Absicherung: Kein Netz, kein Boden
- Keine Krankenversicherung nach deutschem Standard
- Keine Einzahlungen in die deutsche Rentenversicherung
- Kein Anspruch auf deutsches Arbeitslosengeld (ALG I)
- Kein Mutterschutz, keine Elternzeit, kein Kündigungsschutz
- Unklare Regelungen bei Krankheit oder Unfällen
🧭 Guides & Animateure: Verantwortung, aber keine Rechte
- Keine Festanstellung, meist freiberuflich oder über Drittagenten
- Keine Lohnfortzahlung bei Ausfall
- Keine Versicherung über den Arbeitgeber
- Kein Urlaubsanspruch
- Kein arbeitsrechtlicher Schutz bei Überlastung oder Fehlern
🇩🇪 Und deutsche Crewmitglieder? Im selben Boot
- Kein Anspruch auf ALG I nach dem Einsatz
- Keine Rentenpunkte trotz monatelanger Arbeit
- Pflicht zur teuren Selbstversicherung nach Vertragsende
- Keine Mitsprachemöglichkeit im Unternehmen
- Keine gewerkschaftliche Vertretung oder Tarifbindung
🧨 Warum so viele Ausländer an Bord arbeiten
- Geringere Lohnkosten
- Kein Mindestlohn
- Keine Renten- und Sozialabgaben
- Geringerer gewerkschaftlicher Einfluss
- Größere „Dankbarkeit“ wegen wirtschaftlicher Abhängigkeit
⚠️ Internationale Standards? Auf dem Papier!
- Kein Mindestlohnstandard
- Keine Durchsetzung nationaler Arbeitsrechte
- Keine Pflicht zur Rentenversicherung
- Schichtzeiten von bis zu 14 Stunden erlaubt
- Kein effektiver Kündigungsschutz
📣 Forderungen an Politik & Gesellschaft
- Mindestlohnpflicht für Personal auf Schiffen mit deutscher Zielgruppe
- Sozialversicherungspflicht bei Sitz in Deutschland
- Klare Haftung der Reedereien für Sozialabgaben
- Kontrollrechte für Gewerkschaften auf See
- Transparenzpflichten über Löhne und Arbeitsbedingungen
🔚 Schluss mit Wegsehen und Weghören
Die Frau, mit der ich sprach, sah nur, dass viele an Bord keine Deutschen mehr seien.
Sie hatte recht – aber nicht im Sinne von Ausgrenzung, sondern im Sinne von Ausbeutung.
Nicht die Herkunft der Menschen ist das Problem – sondern das System, das sie ausnutzt.
🚨 Es wird Zeit, dass diese Missstände aufgedeckt und abgeschafft werden.
#Arbeitsrechte #Kreuzfahrt #SozialeGerechtigkeit #AusbeutungStoppen #AIDA
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