Ein Beitrag von

Stefan Rahmstorf
Ich war schockiert, als ich zum ersten Mal diese Ergebnisse von Standard-Klimamodellen sah, die in IPCC-Berichten verwendet wurden: Bei hohen Emissionen wird die atlantische Umwälzzirkulation (AMOC) in allen 9 Modellen, die über das Jahr 2100 hinaus liefen, abgeschaltet – und sie ist auf dem besten Weg, bereits bis 2100 zum Stillstand zu kommen. Unser Artikel dazu ist heute erschienen.
Die neueste Klimamodellgeneration CMIP6 besteht aus Modellen von Instituten auf der ganzen Welt. Der IPCC-Bericht kommt zu dem Schluss, dass sich die entscheidende Zirkulation des Atlantischen Ozeans (AMOC) abschwächen wird. Doch jetzt wurden einige dieser Modelle über das Jahr 2100 hinaus fortgeführt – und sie weisen ein hohes Risiko einer vollständigen Abschaltung auf.

Noch besorgniserregender: Der Wendepunkt, an dem der Shutdown unvermeidlich wird, scheint erreicht, wenn die tiefe Konvektion im Nordatlantik aufhört. Dies passiert in diesen Modellen tendenziell in den nächsten Jahrzehnten – siehe zwei Beispiele. Und das, obwohl die Modelle den grönländischen Eisverlust nicht einmal einbeziehen!
Das wirft die Frage auf: Ist die tiefe Konvektion bereits rückläufig? Die Daten sind zwar verrauscht, aber sie zeigen in den letzten zehn Jahren einen Rückgang. Die Zeitspanne ist jedoch zu kurz, um sicher zu sagen, ob es sich um einen beginnenden Kollaps oder nur um natürliche Variabilität handelt. Es bleibt eine Frage des Risikos – und der Gefahr.
Nur wenige Modelle haben Szenarien mit mittleren oder niedrigen Emissionen über das Jahr 2100 hinaus betrachtet. In einigen von ihnen wird die AMOC ebenfalls abgeschaltet. Selbst bei niedrigen Emissionen – also unter den Bedingungen des Pariser Klimaabkommens – sind wir nicht sicher. Doch: Das Risiko ist deutlich geringer.
Wir schätzen die Wahrscheinlichkeit einer Abschaltung auf:
- 70 % bei hohen Emissionen,
- 25 % bei niedrigen Emissionen (Basis: CMIP6-Modelle).
Das sind grobe Schätzungen – aber der wichtigste Punkt ist: Dieses Risiko hielt ich früher für unter 10 %. Und angesichts der verheerenden Folgen, die Jahrhunderte andauern würden, sollte es bei unter 1 % liegen!
– Unser Fachartikel ist open access*
– Mein populärwissenschaftlicher Beitrag im Oceanography Magazine**
– Mein aktueller Vortrag auf YouTube***
Am 19. August haben Demonstranten in London gefordert, dass Politiker und Medien das AMOC-Risiko endlich ernst nehmen und handeln. Sie nannten es eine tickende Zeitbombe. In 10 oder 20 Jahren könnte es bereits zu spät sein – und dann wird man jene zur Verantwortung ziehen, die heute noch wegschauen.
— Weitere Informationen hier****
Fußnoten mit Quellen
* Fachartikel open access: www.lnkd.in/eVYdQvTg
** Oceanography-Artikel: www.lnkd.in/eePEDSr3
*** Vortrag auf YouTube: www.lnkd.in/ef6DCYUE
**** Infos zu Protesten in London: www.lnkd.in/eMeiQGUF
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