England im Trockenschock – Wie der Klimawandel das Grundwasser verschwinden lässt

Ein Beitrag von
Werner Hoffmann

Teil 1 Der Klimawandel in England

Wer schon einmal in England gewesen ist, hat die Region als regenreich in Erinnerung. Das Bild hat sich total verändert.

England kämpft derzeit nicht nur mit leeren Reservoirs und austrocknenden Flüssen – auch die unsichtbare Lebensader unter der Erdoberfläche, das Grundwasser, ist auf dem Rückzug.

Was lange als stabile Reserve galt, rutscht jetzt in bedrohliche Tiefen.

Die Ursache: eine fatale Kombination aus Klimawandel, Niederschlagsmangel und steigender Wasserentnahme.

Ein unsichtbarer Rückzug – Wasser unter der Erde schwindet

Die Absenkung des Grundwassers ist für die meisten Menschen nicht sichtbar, ihre Folgen aber umso gravierender: Quellen versiegen, Flüsse verlieren ihre stützende Basis aus dem Untergrund, und Trinkwasserreserven geraten unter Druck. Besonders betroffen sind die Kalkstein-Aquifere (Chalk Aquifers) in Süd- und Mittelengland – sie versorgen Millionen Menschen mit Trinkwasser.

Sechs Monate Trockenheit – eine schleichende Katastrophe

In vielen Teilen Englands hat es in den letzten Monaten deutlich weniger geregnet als im langjährigen Mittel. Frühling und Sommer waren zu warm und zu trocken – eine gefährliche Mischung, die die natürliche Grundwasserneubildung hemmt.

Der Klimawandel verschärft das Problem doppelt:

  • Höhere Temperaturen erhöhen die Verdunstung aus Böden, Gewässern und Vegetation,
  • veränderte Niederschlagsmuster führen dazu, dass Regen seltener, dafür in heftigeren Schauern fällt – das Wasser fließt oberflächlich ab, statt in den Untergrund zu sickern.

Aquifere auf dem Rückzug

Messstellen der Umweltbehörden zeigen vielerorts Grundwasserstände unter dem saisonalen Normalwert, in einigen Regionen sogar außergewöhnlich niedrige Pegel. Besonders die Chalk Aquifers reagieren sensibel: Sie füllen sich langsam und benötigen mehrere nasse Winterperioden, um Defizite aus Trockenphasen auszugleichen. Ein einzelner regenreicher Monat reicht dafür nicht.

Folgen für Mensch und Natur

  • Trinkwasserversorgung: In zahlreichen Regionen stammt ein Großteil des Trinkwassers aus Grundwasserbrunnen; sinkende Pegel erzwingen tiefere Bohrungen, Verbundleitungen und teure Notfallmaßnahmen,
  • Ökosysteme: Quell- und Kalkflüsse wie Itchen oder Test verlieren Durchfluss und Sauerstoff – Fische, Amphibien und Insekten geraten unter Stress,
  • Landwirtschaft: In trockenen Regionen wie East Anglia führt eingeschränkte Bewässerung zu Ertragseinbußen und erhöhtem Pflanzendruck,
  • Industrie: Wasserintensive Branchen – etwa Getränke, Lebensmittel, Chemie und Pharma – riskieren Drosselungen oder temporäre Produktionsstopps.

Historischer Wendepunkt

Die aktuelle Lage ist kein Ausrutscher, sondern Ausdruck eines Strukturwandels: Dürreperioden häufen sich seit den 2000er-Jahren, hydrologische Extreme werden häufiger und intensiver, und mittlere Grundwasserstände zeigen einen langfristigen Abwärtstrend. England gilt pro Kopf inzwischen als eine der wasserärmeren Industrienationen Europas.

Klimawandel als Treiber – aber nicht allein

Neben dem Klima wirken hausgemachte Faktoren wie Brennstoff auf das Feuer:

  • Steigende Entnahmen durch Bevölkerungswachstum und Industrie,
  • hohe Leitungsverluste durch marode Netze und Leckagen,
  • fehlende Speicher- und Infiltrationsinfrastruktur, um Starkregen systematisch für die Grundwasserneubildung zu nutzen.

Resümee

Die Absenkung des Grundwassers in England ist eine systemische Bedrohung für Trinkwasser, Landwirtschaft, Industrie und Ökosysteme. Der Klimawandel wirkt als Beschleuniger, doch erst der jahrelange Investitionsstau in Netze, Speicher und natürliche Infiltration macht die Krise akut. Ohne einen Kurswechsel – mehr Regenwasserspeicherung, weniger Leckagen, realistische Entnahmequoten und Renaturierung grundwasserbildender Flächen – wird Wasserknappheit zum neuen Normal.

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Teil 2

Teil 3

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