Wikipedia sei nach Ansicht von Elon Musk wohl von Natur aus „hierarchisch“ und unterliege daher den „Vorurteilen höherrangiger Redakteure, unabhängig von deren Verdiensten“:
Der US-Unternehmer Elon Musk schießt aktuell scharf gegen die Online-Enzyklopädie.
Die Absichten dahinter können nur erahnt werden.
Nach unserer Auffassung
Kaufen wird er die Plattform wohl nicht, obwohl er am Montag auf X verkündete, er böte eine Milliarde Dollar, wenn die Plattform sich in „Dickipedia“ umbenennen würde.
Seitdem geistern Gerüchte durchs Netz, Musk könnte sich die nächste Informationsplattform unter den Nagel reißen wollen. Nachdem er mehr oder weniger erfolgreich Twitter in X unbenannt hat, stellt sich die Frage: Will Musk Wikipedia kaufen, um auch dort die Regeln festlegen zu können?
Plattform mit sinnstiftender Ebene
Musk reagierte mit dem erwähnten Kommentar auf ein Posting des Unternehmers Chamath Palihapitiya. Dieser hatte das österreichische Fucking als Beispiel genannt, um die Grenzen von Wikipedia aufzuzeigen. Während auf der Online-Enzyklopädie noch immer stehe, dass der Ort noch so heiße, weil es der Bürgermeister damals so bestätigt habe, stehe in den Community-Notes, dass der Ort 2021 in Fugging unbenannt wurde. Wenn „jeder über alles schreiben könne“, dann sei eine „sinnstiftende Ebene“ nötig, um freie Meinungsäußerung zu ermöglichen und gleichzeitig Falschinformation zu begrenzen. Wikipedia sei voller Trolle und Bot-Editoren, weshalb es unmöglich sei, die „Wahrheit akkurat abzubilden“. Musk kommentierte das Posting nur mit einem Wort: „Exakt„.
Wo das plötzliche Interesse herkommt, im Zusammenhang mit Wikipedia täglich Kommentare abzulassen, stellten sich seitdem viele. Begonnen hat die verbale Auseinandersetzung am Sonntag, als Musk ein Bild von Wikipedia auf X postete, in dem die Plattform nach Spenden fragte. „Warum wollen sie so viel Geld?“, fragte der US-Unternehmer öffentlich.
Die Antworten lieferten seitdem X-Nutzerinnen wie auch Journalisten. „Vice“ etwa nannte die Plattform einen der „letzten guten Plätze im Internet“. Sie sei eine „riesige Schatzkammer an Wissen“, und auch das Fehlen von Anzeigen sei im Jahr 2023 ein „kleines Wunder“. Über 22 Gigabyte an Textdaten werden von den Betreibern verwaltet und die Textänderungen seit Jahren archiviert. Die Seite hat zudem kaum technische Pannen.
Freie Meinungsäußerung
Die Wikipedia Foundation ist eine Non-Profit-Organisation (NPO), deren finanzielle Situation immer wieder öffentlich gemacht wird. Aus dem Report von 2022 kann man herauslesen, dass die Plattform 160 Millionen Dollar an Spenden in diesem Jahr eingenommen hat. 88 Millionen davon wurden in Form von Gehältern ausgezahlt, 2,7 Millionen kostete das Internethosting, und rund 1,2 Millionen wurden für Reisen ausgegeben.
Das Finanzierungskonzept ist immer wieder Ziel von Debatten, die sogar auf einer eigenen Wiki-Seitezusammengefasst wurden. Der Verkauf an einen US-Unternehmer steht aber mit Sicherheit nicht auf der Wunschliste der Wikimedia Foundation. Würde Musk mit Wikipedia genauso verfahren, wie er das bei X gemacht hat, dann würde der Zugang eventuell bald etwas kosten, es gäbe mit Sicherheit diverse Abo-Strukturen, und die Zusammenstellung des Teams würde sich der Tesla-Chef wohl auch sehr gut ansehen.
Über die Interpretation von „free speech“ wurde im Zusammenhang mit Musk schon viel diskutiert. Zu viel Moderation, das war zumindest bei X der Fall, hält er für unnötig. Aber gerade eine Plattform wie Wikipedia sollte frei von solchen persönlichen Interpretationen sein und sich auf Fakten verlassen, die zugeliefert werden. Natürlich hat auch Wikipedia Verbesserungspotenzial und ist nicht die perfekte Plattform. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie unter Musk diesen Status erreicht, ist aber zu bezweifeln.
Wer zur Kontrolle gleich auf Wikipedia surft, um nachzuschauen, ob der Ort Fucking dort noch immer so heißt, der wird enttäuscht sein. Der Eintrag wurde zeitnah zur Namensänderung 2021 angepasst.)