Der nachfolgende Text ist von Marcel Fratzscher vom DIW – Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
„In meiner neuen Kurzstudie finde ich ein bemerkenswertes AfD-Paradox:
#AfD Wähler*innen würden am stärksten unter der #AfD-Politik leiden, in Bezug auf fast jeden Politikbereich.
Woran liegt das?
Für welche Politik steht die AfD?
⁃ Hierfür habe ich die 38 Fragen des Bundeszentrale für politische Bildung, dem Wahl-O-Mat, für 2021 ausgewertet
⁃ Für 7 Kategorien (Wirtschaft, Steuern, Sozialpolitik, Gesellschaftspolitik, Klima- und Umweltpolitik, Außenpolitik und Demokratie/Innenpolitik) werden Indices über die Antworten jeder Partei gebildet, so dass bspw. eine höhere positive Zahl für die Sozialpolitik bedeutet, dass eine Partei sich eine Stärkung der Sozialsysteme wünscht, etc. https://www.wahl-o-mat.de/bundestagswahl2021/app/main_app.html
Die Analyse zeigt, für welche Politik die AfD steht:
⁃ für eine extrem neoliberale Wirtschafts- und Finanzpolitik. Sie setzt sich in fast allen Bereichen für Steuersenkungen, wie neuerdings bei der Erbschaftsteuer, und gegen Steuererhöhungen ein, wie gegen die Besteuerung großer Vermögen. Den Solidaritätszuschlag für die Spitzenverdiener*innen will sie komplett abschaffen. Das Gleiche gilt für die Wirtschaftspolitik, bei der die AfD generell die Rolle des Staates beschneiden und die Macht des Marktes vergrößern will.
⁃ Bei der #Klimapolitik gibt es keine Partei, die Maßnahmen systematischer ablehnt.
⁃ In der #Sozialpolitik wünscht sich keine Partei stärkere Einschnitte.
⁃ In der #Gesellschaftspolitik unterscheidet sich die AfD am stärksten, will Rechte v.a. für Minderheiten beschneiden.
⁃ Bei #Demokratie und Innenpolitik will die AfD Rechte und Freiheiten deutlich restriktiver handhaben als alle anderen Parteien im Bundestag.
⁃ In der Kategorie #Außenpolitik ist die AfD die einzige Partei, die die Europäische Union abschaffen oder massiv beschneiden will.
Das AfD-Paradox:
Die Widersprüche zwischen den Interessen der AfD-Wähler*innen und den Positionen der AfD könnten kaum größer sein.
Wie kann es sein, dass ein Fünftel der Bürger*innen die Politik einer Partei unterstützt, die stark dem eigenen Wohlergehen und den eigenen Interessen zuwiderläuft?
Die individuelle Fehleinschätzung liegt darin, dass viele AfD-Wähler*innen nicht realisieren, dass eine Politik der Ausgrenzung sie selbst stark negativ betreffen würde.
Die kollektive Fehleinschätzung besteht in dem, was Nils Markwardt
„Verblendungszusammenhänge“ nennt — eine verzerrte Wahrnehmung der Realität und im schlimmsten Falle irre Verschwörungstheorien.
„Be careful what you wish for …“
Die Aufgabe von Politik und Gesellschaft ist es, die Widersprüche der #AfD-Positionen offenzulegen, die individuellen und kollektiven Fehleinschätzungen zu benennen und den AfD-#Populismus durch den öffentlichen Diskurs zu entlarven.
Die vollständige Studie mit detaillierten Abbildungen auf diw.de —>
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Anmerkung der Redaktion:
Tatsächlich ist es so, dass die vermeintlichen Wähler sich durch einzelne Kurzsätze manipulieren lassen und dies auch nicht weiter hinterfragen.
Man kennt dies auch aus der Werbung „Kurze Eycatcher, die
– zum Lachen führen
– Neid (Hass) antreiben
und für Sympathie / Zustimmung führen.
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Hierzu ein kurzes Beispiel:
Leona K. (Name von Redaktion geändert) lebt seit ihrem 3.Lebensjahr in Deutschland. Ihre Eltern kamen aus Ex-Jugoslawien 1964 nach Deutschland als Gastarbeiter.
Sie absolvierte die Hauptschule, machte eine Verkäuferinnen-Ausbildung und arbeitete in diversen Jobs und war zeitweise auch arbeitslos.
Inzwischen ist sie verwitwet. Es gibt ein erwachsenes Kind.
In den sozialen Medien teilt sie alles, was von der AfD kommt. Ob es um die Themen Flüchtlinge, Missbrauch von Frauen oder andere Hetzthemen geht
Sie unterhält auch 4 unterschiedliche FACEBOOK-Konten, wobei ein Konto für die Hetzkampagnen genutzt wird.
Da der Autor diese Frau aus der Schulzeit kannte, hatte er mit ihr gechattet und sie dann einmal befragt, warum sie denn so für die AfD schwärmt. Die Antworten waren wie immer typisch.
„Die Flüchtlinge -Migranten- nehmen uns aus und die Moslems sollen raus aus Deutschland…..“
Ich fragte sie zunächst, ob sie
– den Unterschied von Moslems und Glaubensextremisten kennt,
– persönlich denn Flüchtlinge kennt,
– und ob sie nicht selbst auch Migrant ist.
Ich erklärte dabei auch das Wort Migrant in der Definition: „Menschen, die auf der Suche nach besseren Lebensperspektiven aus eigenem Antrieb ihre Heimat verlassen, nennt man Migrantinnen und Migranten. Sie wandern aus, um vorübergehend oder für immer an einem anderen Ort zu leben.
Mit den Antworten hatte sie sich schwer getan. Sie rechtfertigte sich damit, dass ihr Vater nach Deutschland geholt wurde, weil man Gastarbeiter brauchte.
Tatsache ist jedoch folgendes: Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges existierte Slowenien als Teilrepublik im sozialistischen Jugoslawien. Nach der Unabhängigkeitserklärung am 25. Juni 1991 und dem 10-Tage-Krieg wurde Slowenien ein eigenständiger Nationalstaat und am 22. Mai 1992 eigenständiges Mitglied der UNO.
Zum Zeitpunkt der Übersiedelung von Jugoslawien ist Leona mit ihren Eltern aus dem sozialistischen und korrupten Jugoslawien nach Deutschland eher vor dem System geflohen, oder auch aus wirtschaftlichen Gründen nach „Deutschland eingewandert“.
Durch den Tod des Ehemannes erhält sie eine Witwenrente. Durch diverse Krankheiten ist sie auch nicht mehr ganz arbeitsfähig.
Interessant ist in diesem Beispiel folgendes;
1. Leona ist voller Überzeugung für die AfD.
2. Wenn die AfD an der Regierung wäre, hätte sie jedoch die meisten Nachteile, denn sie wäre eine der Migranten, die die AfD loshaben wollte. Leona erhält Witwenrente, Krankengeld, ist zu krank (hohe Krankheitskosten) und hat zu wenig Kinder (keine Kleinkinder).
3. Leona K. ist Migrantin und keine Deutsche.
Das Verrückte ist jedoch, wie enthusiastisch Leona für die AfD Werbung macht, obwohl sie ja überhaupt nicht wahlberechtigt ist und eigentlich ihre eigenen Schlächter wählen würde.
Eigentlich müsste man hierzu nichts weiter anmerken, denn sie kann ja eh nicht wählen. Fakt ist jedoch, dass solche nicht-wahlberechtigten Menschen in Deutschland Stimmung gegen das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratischen Werte Stimmung machen.
Hier werden von Leona K. Rechte auf Meinungsfreiheit beansprucht, die sie selbst friedliebenden Ausländern (auch der überwiegenden Moslems) nicht zugestehen will.
Dass dies kein Einzelfall ist, dürfte wohl klar sein.
So gibt es nicht nur aus dem früheren Jugoslawien, sondern auch aus der ehemaligen Sowjetunion (zB Russlanddeutsche) oder aus anderen Ländern Menschen, die hier ein besseres Leben haben, als sie in ihrem Geburtsland hatten.
Und das Perfide daran ist, dass diese Menschen jetzt andere Menschen, die unter Lebensgefahr fliehen, als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen.