Ein Beitrag von

Werner Hoffmann
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Von der Politik zur Gaslobby und zurück
Katherina Reiche ist ein Beispiel für den berühmten „Drehtüreffekt“: Politiker wechseln in die Wirtschaft, vertreten dort die Interessen von Konzernen und kehren anschließend wieder zurück in die Politik. Reiche war lange Zeit CDU-Staatssekretärin, dann ging sie in die Energiewirtschaft und vertrat die Gas- und Netzlobby.
Heute ist sie wieder in der Politik – als Bundeswirtschaftsministerin.
Die Frage liegt auf der Hand: Wessen Interessen setzt sie durch?
Die der Bürgerinnen und Bürger oder die der fossilen Unternehmen, für die sie jahrelang tätig war?
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Das Merit-Order-Prinzip – warum Gas den Preis bestimmt
Um den Mechanismus zu verstehen, muss man das Merit-Order-Prinzip kennen.
Es wurde in den 1990er-Jahren in der EU eingeführt, als der Strommarkt liberalisiert wurde.
Grundidee:
Die günstigsten Anbieter speisen zuerst Strom ins Netz ein, danach die teureren.
Ganz am Ende steht Gas – das teuerste.
Das Problem:
Sobald nur ein einziges Gaskraftwerk läuft, bestimmt es den Preis für den gesamten Markt.
Das bedeutet:
Auch wenn 70 oder 80 Prozent des Stroms aus günstigen erneuerbaren Energien kommen, müssen alle Verbraucher den teuren Gaspreis zahlen.
71 neue Gaskraftwerke – ein Programm gegen die Verbraucher

Frau Reiche möchte nun 71 neue Gaskraftwerke bauen lassen.
Sie spricht von „Versorgungssicherheit“.
Doch der eigentliche Effekt ist ein anderer:
Je mehr Gaskraftwerke es gibt, desto öfter wird Gas gebraucht – und desto häufiger bestimmt Gas den Strompreis.
Das ist ein Mechanismus, der die Preise dauerhaft hochhält.
Am Ende zahlen Haushalte und Unternehmen, während Konzerne profitieren.
Was passiert bei Wind und Solar?
Windräder und Solaranlagen erzeugen Strom extrem günstig.
Doch das Marktsystem sorgt dafür, dass dieser Vorteil kaum bei den Verbrauchern ankommt.
Denn die Preise richten sich nicht nach den billigsten, sondern nach den teuersten Kraftwerken, die gerade noch gebraucht werden.
Und das sind fast immer Gas- oder Kohlekraftwerke.
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Festpreise und die versteckte Umverteilung
Viele Betreiber von Wind- und Solaranlagen bekommen feste Vergütungen.
Diese sind im EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) geregelt. Für sie spielt es also keine Rolle, ob der Börsenpreis hoch oder niedrig ist.
Doch wenn der Marktpreis – wegen Gas – deutlich höher liegt, entsteht eine Lücke.
Diese Differenz landet nicht bei den Bürgern, sondern bei Energiehändlern, Zwischenversorgern und Energiekonzernen.
Mit anderen Worten:
Die Profiteure des Systems kassieren, während die Verbraucher draufzahlen.
Wie die fossile Lobby zusätzlich subventioniert wird
Das besonders Perfide: Dieses System sorgt dafür, dass fossile Energien nicht nur den Preis diktieren, sondern sogar indirekt subventioniert werden.
Warum?
- Hohe Gaspreise treiben den Börsenpreis künstlich nach oben.
- Betreiber von Gaskraftwerken verdienen dadurch weit mehr, als sie für die eigentliche Erzeugung brauchen.
- Gleichzeitig werden Risiken abgesichert: Wenn Börsenpreise einmal sinken, gleichen staatliche Fonds oder Umlagen Verluste aus.
Damit werden Gewinne privatisiert, während Verluste sozialisiert werden.
Die Allgemeinheit zahlt, die fossile Lobby streicht Zusatzgewinne ein.
Es handelt sich also nicht nur um einen unfairen Marktmechanismus, sondern um eine staatlich abgesicherte Förderstruktur für fossile Energien – mitten in der Energiewende.
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Warum das Merit-Order-Prinzip die fossile Lobby stärkt
- Es verhindert, dass günstige erneuerbare Energien wirklich für sinkende Preise sorgen,
- Es hält Gaskraftwerke künstlich am Leben, weil sie immer wieder den Preis bestimmen dürfen,
- Es sorgt für versteckte Subventionen, da Übergewinne bei Konzernen landen und Verluste vom Staat getragen werden.
So wird die fossile Lobby nicht nur geschützt, sondern sogar gestärkt.
Statt die Abhängigkeit von Gas und Kohle zu beenden, baut dieses System sie weiter aus.
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Resümee
Katherina Reiche verkauft ihre Pläne für 71 Gaskraftwerke als „notwendige Sicherheit“.
Doch in Wahrheit bedeuten sie höhere Preise, versteckte Subventionen für fossile Energien und eine zementierte Abhängigkeit von Gas.
Die Energiewende wird gebremst, die fossile Lobby kassiert ab.
Die Rechnung zahlen – wie so oft – die Bürgerinnen und Bürger.
Und Frau Katherina Reiche schafft weitere Profite für ihre fossile Lobby.
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Übrigens: wer jetzt aber meint, dass die AfD hier eine andere Art und Weise spielen würde, der irrt. Die AfD würde die fossile Energie am liebsten noch von Russland zusätzlich wieder holen und die erneuerbare Energie – die für uns Bürger eigentlich günstiger ist – sofort komplett abschalten.
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Teil 2: Gesetzliche Grundlagen zum Strompreis-Mechanismus und den „Differenzgewinnen“
Nachfolgend eine Übersicht über die gesetzlichen Regelungen, die erklären, warum das Strommarktdesign so funktioniert und warum Gewinne oft bei fossilen Energiekonzernen und Händlern landen:
- EU-Verordnung (EU) 2019/943 über den Elektrizitätsbinnenmarkt
- Art. 6 & 7: Strommärkte arbeiten nach dem Prinzip des markträumenden Preises (Merit Order).
- Konsequenz: Alle Anbieter erhalten denselben Preis, bestimmt durch das letzte (teuerste) Kraftwerk – meist Gas.
- EEG 2023 (Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien)
- § 19 EEG 2023: Definition der anzulegenden Werte (Festvergütungen) für Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen.
- § 20 EEG 2023: Einführung der Marktprämie – Ausgleich zwischen Börsenpreis und Festvergütung.
- § 22 EEG 2023: Pflicht zur Direktvermarktung für neue Anlagen. Betreiber verkaufen Strom an Börse oder Händler, bekommen aber zusätzlich Marktprämien.
- Wirkung: Ist der Börsenpreis höher als die Vergütung, streichen Händler/Versorger die Differenz ein. Ist er niedriger, zahlt der Staat die Differenz.
- Strommarktgesetz 2016 (StrommarktG)
- § 1 Abs. 1 StrommarktG: Einführung des sogenannten Energy-Only-Marktes – Anbieter werden ausschließlich für die gelieferte Kilowattstunde vergütet.
- Folge: Keine Kapazitätszahlungen, sondern reines Spiel der Merit Order → zusätzliche Gewinne landen bei Händlern und Konzernen.
Damit ergibt sich:
- Börse/Marktpreis wird durch Gas bestimmt,
- EEG-Festpreise sichern Erzeugern Einnahmen,
- Differenzgewinne landen bei Händlern, Zwischenversorgern und Energiekonzernen,
- Risiken/Verluste werden sozialisiert – über den Energie- und Klimafonds oder andere staatliche Ausgleichsmechanismen.
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