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Blinde Flecken, verpasste Chancen, neoliberale Logik: Deutschland und Katherina Reiche
„Wir haben verlernt, uns anzustrengen“ — mit diesem Satz in der Rede von Katherina Reiche beim Arbeitgebertag gibt sie bereits die Richtung ihres wirtschaftlichen Verständnisses klar zum Ausdruck. Die Aussage ist nicht nur plakativ, sie ist vor allem hochproblematisch. Denn sie ist pauschal, moralisch aufgeladen und in keiner Weise empirisch belegt. Zugleich dient sie als rhetorisches Fundament für eine wirtschaftspolitische Agenda, die Großunternehmen entlastet, den Sozialstaat „entschlackt“ und den Arbeitsmarkt dereguliert.
Wenn man die konkreten politischen Maßnahmen der Regierung – allen voran den subventionierten Industriestrompreis – in den Blick nimmt, zeigt sich ein tiefer Widerspruch zwischen dem Anspruch auf Leistungsförderung und der realen Politik. Diejenigen, die mit moralischen Vorwürfen angesprochen werden („Ihr habt verlernt, euch anzustrengen“), sind ohnehin schon strukturell benachteiligt – während Industriekonzerne massiv von Steuergeldern profitieren.

Nur ein Mosaikstein, der verdeutlicht, dass die Wirtschaftspolitik von Katherina Reiche nicht nur neoliberal ist, sondern in ihrer derzeitigen Form eine der gravierendsten Fehlentwicklungen der letzten Jahre darstellt. Subventionen als Umverteilung von unten nach oben, moralische Legitimierung von Deregulierung und Sozialabbau, und noch eklatanter, die verpassten Chancen für eine nachhaltige und resiliente Energie- und Infrastrukturpolitik — und das alles verpackt in Rhetorik von „Eigenverantwortung“ und „Leistung“.

Die Aussage illustriert, wie moralische Narrative gesellschaftliche Verantwortung verschieben. Wer „Eigenverantwortung“ als moralische Pflicht definiert, verkennt die strukturellen Rahmenbedingungen, unter denen Menschen handeln. Eine Gesellschaft, die Leistung moralisch bewertet, übersieht systemische Ungleichheiten.
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