Ein Beitrag von

Werner Hoffmann
Carsten Linnemann, CDU-Generalsekretär, hat mit seiner Äußerung, dass „wenige Stunden zu arbeiten und den Rest aufzustocken, obwohl man Vollzeit arbeiten kann, nicht möglich sein darf“, einen Satz formuliert, der an Populismus kaum zu überbieten ist. Die Realität vieler Menschen blendet er dabei völlig aus. Denn es gibt zahllose Gründe, warum nicht jeder in Vollzeit arbeiten kann – und diese Gründe sind alles andere als bequem oder selbstverschuldet.

Alleinerziehende: Zwischen Job und Kinderbetreuung
Alleinerziehende Mütter und Väter leisten tagtäglich einen Spagat zwischen Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung. Für viele ist es schlicht nicht machbar, eine volle Stelle anzunehmen, weil Betreuungszeiten in Kitas oder Schulen nicht abgedeckt sind. Wer das ignoriert, ignoriert die Lebensrealität Hunderttausender Familien.
Verheiratete Frauen und die Last der Care-Arbeit
Gerade verheiratete Frauen übernehmen häufig den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit: Haushalt, Kinder, oft auch pflegebedürftige Angehörige. Teilzeit ist für sie oft keine „Komfortzone“, sondern die einzige Möglichkeit, das Leben der Familie am Laufen zu halten.
Pflegende Angehörige: Die unsichtbare Stütze des Systems
Hunderttausende Menschen pflegen ihre Eltern, Partner oder andere Angehörige. Ohne sie würde das deutsche Pflegesystem kollabieren. Dass diese Menschen nicht Vollzeit arbeiten können, ist eine logische Folge. Sie dafür zu stigmatisieren, ist respektlos und ignorant.
Gesundheitliche Einschränkungen
Chronische Krankheiten, seelische Belastungen oder eine anerkannte Erwerbsminderung führen dazu, dass viele Menschen keine Vollzeitstelle bewältigen können. Diese Realität mit einem Satz vom Tisch zu wischen, ist nicht nur zynisch, sondern auch gefährlich, weil sie Betroffene stigmatisiert.
Menschen mit Behinderungen
Viele Menschen mit Behinderungen arbeiten in Werkstätten oder in angepassten Beschäftigungsverhältnissen. Vollzeit ist dort gar nicht vorgesehen – und oft auch nicht möglich. Sie in einem Atemzug mit „Sozialbetrug“ zu nennen, offenbart ein abwertendes Menschenbild.
Populismus statt Lösungen
Carsten Linnemann versucht mit solchen Aussagen, einfache Feindbilder zu schaffen: „Die Faulen gegen die Fleißigen“. Doch die Wirklichkeit ist komplexer. Statt mit populistischen Schlagworten Stimmung zu machen, sollte die CDU ernsthaft überlegen, wie man Familien, pflegende Angehörige und gesundheitlich eingeschränkte Menschen besser unterstützt.
Resümee: Wer wie Linnemann pauschal gegen Teilzeitkräfte polemisiert, zeigt nicht nur soziale Kälte, sondern auch politisches Desinteresse an den wirklichen Problemen der Menschen in diesem Land.
Ein Kommentar von Franz

Der Kritiker: Mit der Ernsthaftigkeit eines Mannes, der glaubt, er sei der Robin Hood der Steuerzahler, kämpft Linnemann gegen die „Ausplünderung“ unserer Sozialsysteme. Man sieht ihn förmlich, wie er mit hochrotem Kopf in die Kamera schaut und von „krassen Regelungslücken“ spricht – als wäre er der Indiana Jones des Sozialrechts, kurz davor, die heilige Bundeslade der Gerechtigkeit aus den Klauen böser „Clans“ zu retten.
Dummerweise: Von diesen angeblichen „Sozialbetrugs-Clans“, die systematisch Deutschland aussaugen sollen, sind bundesweit nicht einmal 1400 Fälle bekannt. 1400 – in einem Land mit über 84 Millionen Menschen. Das ist ungefähr so, als würde man eine Rattenplage ausrufen, weil man auf dem Marktplatz von Buxtehude eine Maus gesichtet hat. Aber im medialen Trommelfeuer reichen solche Zahlen locker, um Panik zu inszenieren.
Noch schöner wird es, wenn man genauer hinschaut: Die vielgescholtenen „Aufstocker“ stocken nämlich nicht auf, weil sie das Sozialamt zum Hobby haben, sondern weil der Lohn schlicht nicht zum Leben reicht. Willkommen in Deutschland 2025, wo Vollzeitarbeit im Niedriglohnsektor so lukrativ ist wie ein Nebenjob beim Taschengeldamt.
Und Teilzeit? Hat meist Gründe, die nichts mit „Betrug“ zu tun haben – Kinderbetreuung, Pflege, Gesundheit. Aber für Linnemann ist das offenbar eine Art Generalverdacht, eine moralische Verwahrlosung, die man nur mit Brüsseler „Arbeitnehmer-Neudefinitionen“ eindämmen kann.
Man fragt sich wirklich: Wo lebt dieser Mann? In einem Paralleluniversum der „Bild“-Schlagzeilen, in dem der Sozialstaat täglich von mafiösen Friseursalons überrannt wird? Oder im wahren Deutschland, wo Millionen Menschen ehrlich schuften und trotzdem nicht über die Runden kommen?
Das eigentlich Groteske: Jahrzehntelang hat die CDU mit offenen Augen zugesehen, wie Unternehmen im Niedriglohnsektor Arbeitskräfte verheizen und den Staat als Subventionierer zweckentfremden. Jetzt entdeckt Linnemann plötzlich, dass auch Arbeitgeber Teil des Spiels sind. Welch bahnbrechende Erkenntnis – ungefähr so neu wie die Mitteilung, dass Wasser nass ist.
Kurzum: Linnemann will „Resilienz“ fürs Sozialsystem. Was übersetzt heißt: mehr Kontrollen für die Kleinen, mehr Schlagzeilen über „Clans“, mehr Pathos fürs CDU-Parteibuch. Die Realität – zu wenig Lohn, zu hohe Mieten, zu viele Menschen im Hamsterrad der Armut – bleibt dabei hübsch unter dem Teppich.
Der Praktiker: Was hat dieses Bürscherl eigentlich zu bieten, außer fehlendem Anstand und Charakter, exorbitanter Dummheit, ausgeprägtem Hetz- und Spalt-Potential, totalem Realitätsverlust, völligem Unvermögen und grenzenloser Verantwortungslosigkeit? Also genau die Parameter, welche heute Voraussetzung für eine Position in der verwahrlosten Polit-Szene sind?

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