Ein Beitrag von

Werner Hoffmann
Am 15. September 2025 hat das Bundeswirtschaftsministerium (BMWE) den neuen Monitoringbericht zur Energiewende vorgestellt.
Grundlage ist ein Gutachten des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) und von BET Consulting.
Während die Gutachter nüchtern Szenarien und Optionen beschreiben, nutzte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche die Bühne, um weitreichende politische Festlegungen zu verkünden – mit deutlichen Spannungen zwischen Analyse und Politik.
Was der Bericht liefert – und was Reiche daraus macht
- Strombedarf 2030: Die Gutachter setzen einen Korridor von 600–700 TWh an (statt vormalig 750 TWh). Der aktuelle Verbrauch liegt bei rund 510 TWh. [oai_citation:0‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
- 80-%-Ziel bleibt: 2030 sollen 80 % des Stroms aus Erneuerbaren kommen – das wird von Reiche ausdrücklich bekräftigt. [oai_citation:1‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
- Systemaufgaben: Mehr Flexibilität, Speicher, Netzausbau, Smart-Meter, bessere Systemdienlichkeit der EE. [oai_citation:2‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
Gleichzeitig kündigte Reiche politisch an:
- Streichung der festen Einspeisevergütung für neue Dach-PV und stärkere Direktvermarktung,
- Vergütungssperre bei negativen Preisen,
- Einführung eines technologieoffenen Kapazitätsmarkts (ab ca. 2027), in dem Gaskraftwerke mit H₂-Option priorisiert werden sollen,
- Ausrichtung des EE-Zubaus strenger am Netz (räumliche Steuerung, „wo Netze Strom aufnehmen können“). [oai_citation:3‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
„Wir wollen eine Über-Förderung vermeiden.“
— Katherina Reiche im ZDF-Interview
Reiche betonte dort auch „Back-up-Kapazitäten wie Gaskraftwerke“ – Batteriespeicher erwähnt sie nicht. [oai_citation:4‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
Die zentrale Leerstelle: Batteriespeicher – preiswert, schnell, skalierbar

Bemerkenswert ist, dass in Reiches öffentlicher Argumentation Batteriespeicher als tragende Flexibilitätsoption kaum vorkommen – obwohl sie im Monitoringumfeld („mehr Kombination von Erneuerbaren und Speichern“) als Baustein genannt werden. Das politische Framing setzt auf Gas-Back-ups, nicht auf Speicher.
- Kostenlage laut Lazard 2025: Standalone Utility-Batterien (4 Stunden) liegen bei etwa 115–254 USD/MWh, während Gas-Peaker bei 149–251 USD/MWh liegen. PV+Speicher liegt bei ~50–131 USD/MWh. Ergebnis: Speicher- und EE-Kombis konkurrieren preislich mit Peaker-Gas – teils günstiger. [oai_citation:5‡rtoinsider.com](https://www.rtoinsider.com/108308-lazard-solar-wind-retain-lowest-lcoes/?utm_source=chatgpt.com)
- Technischer Nutzen: Batteriespeicher dämpfen Lastspitzen, reduzieren Redispatch und Abregelung, glätten Preisvolatilität und senken Systemkosten in EE-reichen Netzen. Internationale Analysen weisen auf rapide fallende Batteriepreise und den wachsenden Systemnutzen hin. [oai_citation:6‡RMI](https://rmi.org/batteries-the-workhorse-of-an-affordable-reliable-grid/?utm_source=chatgpt.com)
- Implikation: Wenn Kapazitätsmärkte und Netzentgelte „speicherblind“ designiert werden, verzerren sie Investitionssignale zugunsten fossiler Backup-Kapazitäten, obwohl Speicher häufig schneller realisierbar und langfristig kosteneffizient sind.
Reiche vs. Gutachter – die entscheidenden Widersprüche als Zitat-Liste

- „Brauchen wir neue Gaskraftwerke?“
Gutachter (EWI/BET): „Mehr Flexibilität, Speicher, Systemdienlichkeit … gesicherte Leistung ja, aber keine Eindeutigkeit, dass zusätzliche Gaskraftwerke unumgänglich sind.“ [oai_citation:7‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
Reiche: „Back-up-Kapazitäten wie Gaskraftwerke“ seien nötig; Ausschreibungen noch 2025 anstoßen. [oai_citation:8‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html) - „Wie hoch wird der Strombedarf?“
Gutachter: Korridor 600–700 TWh für 2030 (robust, aber unsicher). [oai_citation:9‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
Reiche: Erwartet „eher das untere Ende“ – ohne belastbare neue Evidenz. [oai_citation:10‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html) - „Was passiert mit Dach-PV?“
Gutachter: Marktintegration verbessern, Kombination mit Speichern stärken – keine klare Empfehlung zur sofortigen Abschaffung der Förderung. [oai_citation:11‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
Reiche: Streichung der festen Einspeisevergütung für neue Dach-PV und Pflicht zur Direktvermarktung. [oai_citation:12‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html) - „Welche Flex-Optionen nennt die Politik?“
Gutachter: „Mehr Kombination Erneuerbare + Speicher“ (neben Netzausbau etc.). [oai_citation:13‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
Reiche: Fokussiert öffentlich auf Gas-Backups; Batteriespeicher werden im ZDF-Statement nicht erwähnt. [oai_citation:14‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
Politische Mechanismen: Wie der EE-Ausbau gebremst und Gas profitabler würde

Kritikerinnen und Kritiker monieren, der angekündigte Kurs ordne Umwelt- und Klimaschutz wirtschaftspolitischen Zielen unter und verschiebe Marktchancen zulasten der Bürgerenergie. In der Sache geht es um Folgendes:
- Förderstopp für neue Dach-PV + Pflicht zur Direktvermarktung → erhöht Transaktions- und Vermarktungskosten für kleine Anlagen, drückt die Wirtschaftlichkeit und bremst den dezentralen Zubau. [oai_citation:15‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
- Keine Vergütung bei negativen Preisen → erhöht Erlösrisiken v. a. für kleine EE-Akteure ohne professionelles Portfoliomanagement; Speicher könnten hier Abhilfe schaffen, werden aber politisch nicht priorisiert. [oai_citation:16‡pv magazine Deutschland](https://www.pv-magazine.de/2025/09/15/reiche-legt-monitoringbericht-zur-energiewende-vor/)
- Netzorientierter Zubau ohne flankierende Speicher-Anreize → kann den Zubau in „starken“ Regionen konzentrieren und dezentrale Potenziale schwächen, wenn Flex-Marktdesigns (lokale Flexmärkte, Netzentgelt-Signal für Speicher) fehlen. [oai_citation:17‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
- Kapazitätsmarkt-Design mit Fokus auf thermische Leistung → vergütet Bereitstellung statt gelieferten Strom. Ohne technologieneutrale Anforderungen (z. B. netzbildende Eigenschaften, Reaktionszeit, Emissionsgrenzen) kann dies Gas gegenüber SPEICHERN bevorteilen. [oai_citation:18‡pv magazine Deutschland](https://www.pv-magazine.de/2025/09/15/reiche-legt-monitoringbericht-zur-energiewende-vor/)
Politische Wirkung: Diese Instrumente zusammen dämpfen die Investitionsdynamik bei den Erneuerbaren – speziell bei Bürger-PV – und stärken die Profitabilität von Gaskraftwerken über Kapazitätszahlungen und knapper gehaltene EE-Volumina. Das ist kein Naturgesetz, sondern Ergebnis von Marktdesign.
Reiches Vergangenheit im Energiesektor – und der Vorwurf der Nähe zur Gaslobby

Nicht ohne Hintergrund hatte Friedrich Merz ausgerechnet Katherina Reiche ins Bundeswirtschaftsministerium geholt.

Reiche war nach ihrer Zeit im Bundestag Hauptgeschäftsführerin des VKU (Verband kommunaler Unternehmen) und anschließend Vorsitzende der Geschäftsführung von Westenergie (E.ON-Tochter; u. a. in Strom- und Gasnetzen aktiv). Diese Laufbahn begründet den Vorwurf einer Nähe zur Gasinfrastruktur. Heute ist sie Bundeswirtschaftsministerin. [oai_citation:19‡BMWi](https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Dossier/Visitenkarten/Reiche/lebenslauf.html?utm_source=chatgpt.com)
Bewertung: Reiche betont Versorgungssicherheit und Kosten. Kritiker halten dagegen, dass ihr Kurs Umwelt- und Klimaschutz dem kurzfristigen Fossil-Narrativ unterordnet und dezentrale EE-Modelle strukturell benachteiligt. Eine speicherzentrierte Flex-Strategie würde die gleiche Systemsicherheit mit geringerer fossiler Lock-in-Gefahr erreichen.
Was jetzt zu tun wäre: Speicher-first statt Gas-Lock-in
- Kapazitätsmarkt wirklich technologieneutral auslegen: gleiche Vergütungskriterien für Batteriespeicher (Reaktionszeit, Verfügbarkeit, netzbildende Fähigkeiten), Emissionsgrenzen für Kapazitäten.
- Negativpreis-Regel speicherfreundlich gestalten: Speicher dürfen gezielt bei negativen Preisen laden, EE-Abregelung minimieren und Systemkosten senken.
- Lokale Flexmärkte & dynamische Netzentgelte: Speicher, Demand Response und EE vor Ort entlohnen – statt pauschal zu deckeln.
- Prosumer-Modelle stärken (Balkon-/Dach-PV + Heimspeicher): Standardisierte Direktvermarktung „light“ und Sammelvermarktung für Kleinanlagen.
- Planungssicherheit: Kein Politik-Zickzack – klarer, mehrjähriger Pfad für Speicher-/EE-Investitionen.
Resümee
Der Monitoringbericht selbst liefert keine zwingende Begründung für neue Gaskraftwerke, wohl aber für mehr Flexibilität, Speicher und Netzausbau. Reiches politische Schlussfolgerungen – Dach-PV-Förderstopp, Kapazitätsmarkt mit Gas-Fokus, harte Netzorientierung – laufen Gefahr, Erneuerbare auszubremsen und eine fossile Brücke zu zementieren, obwohl Batteriespeicher heute wirtschaftlich konkurrenzfähig sind und das System effizienter stabilisieren können. Eine Speicher-first-Strategie wäre der kostengünstigere, klimafreundlichere und zukunftssichere Weg.
#Energiewende #Batteriespeicher #Photovoltaik #Windenergie #Gaskraftwerke
Quellen
- ZDF heute – Interview mit Katherina Reiche: „Über-Förderung vermeiden“, 15.09.2025 (inkl. Aussagen zu Back-up mit Gaskraftwerken und netzorientiertem Zubau). [oai_citation:20‡ZDF](https://www.zdf.de/nachrichten/politik/deutschland/reiche-energie-wende-erneuerbare-gas-interview-100.html)
- Klimareporter° – „Reiches Monitoring liefert keine neuen Gaskraftwerke“, 15.09.2025 (Gutachter-Kernthesen: Flexibilität, Speicher; 600–700 TWh; keine Zwangslogik für neue Gaskraftwerke). [oai_citation:21‡klimareporter.de](https://www.klimareporter.de/strom/reiches-monitoring-liefert-keine-neuen-gaskraftwerke)
- pv magazine – „Reiche legt Monitoringbericht zur Energiewende vor“, 15.09.2025 (Reaktionen, Zehn-Punkte-Linien, Kapazitätsmarkt). [oai_citation:22‡pv magazine Deutschland](https://www.pv-magazine.de/2025/09/15/reiche-legt-monitoringbericht-zur-energiewende-vor/)
- Lazard LCOE+ 2025 – Kostenbandbreiten für PV+Speicher / Wind+Speicher und Gas-Peaker; ergänzend RTO Insider zur LCOS für 4-h-BESS. [oai_citation:23‡https://lazard.com](https://www.lazard.com/media/eijnqja3/lazards-lcoeplus-june-2025.pdf?utm_source=chatgpt.com)
- EWI & BET (2025) – Energiewende. Effizient. Machen. Monitoringbericht (Auftragsstudie für das BMWE). [oai_citation:24‡BMWi](https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/energiewende-effizient-machen.pdf?__blob=publicationFile&v=16&utm_source=chatgpt.com)
- Biografie / Tätigkeiten im Energiesektor (VKU, Westenergie) – offizielle Profile & Lobbypedia. [oai_citation:25‡BMWi](https://www.bundeswirtschaftsministerium.de/Redaktion/DE/Dossier/Visitenkarten/Reiche/lebenslauf.html?utm_source=chatgpt.com)