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Ein Beitrag von Werner Hoffmann

Die Diskussion um Israel und Palästina wird in Deutschland meist verkürzt geführt: Hier die „einzig gute Demokratie im Nahen Osten“, dort die „Terroristen der Hamas“. Doch so einfach ist die Lage nicht – und genau diese Vereinfachung verhindert seit Jahrzehnten jede Lösung.
Natürlich ist die Hamas eine Terrororganisation, deren grausame Taten – auch am 7. Oktober 2023 – niemals relativiert werden dürfen. Doch wer ausschließlich auf Hamas zeigt, blendet die tiefere Dynamik aus: systematische Besatzung, Entrechtung und Vertreibung der Palästinenser seit Jahrzehnten.
Historische Lasten und ungelöste Konflikte

1948 wurden bei der Gründung Israels rund 750.000 Palästinenser vertrieben – die Nakba. 1967 besetzte Israel in Folge des Sechs-Tage-Krieges Westjordanland und Gaza. Statt eines Friedensprozesses folgte bis heute ein permanenter Ausbau der Siedlungen, obwohl die UN dies wiederholt als Bruch des Völkerrechts verurteilte.
Das Oslo-Abkommen von 1993 versprach eine Zwei-Staaten-Lösung. Doch Israel hat es durch Siedlungsbau, Enteignungen und politische Blockaden faktisch entwertet. Palästina wurde in Inseln zerstückelt, die kaum als Staat überlebensfähig sind.
Kollektive Bestrafung und die Frage nach Völkermord
Die aktuelle Militärstrategie Israels im Gazastreifen geht weit über Selbstverteidigung hinaus. Bombardierungen von Krankenhäusern, Wasserwerken und Schulen, tausende zivile Opfer – all das wird international als kollektive Bestrafung verurteilt. Der Internationale Gerichtshof prüft den Vorwurf des Völkermords.

Besonders bitter: Ausgerechnet ein Staat, der selbst aus dem Trauma der Shoah hervorging, riskiert, sich nun in die Nähe jener Verbrechen zu stellen, die er für immer verhindern wollte.
Wirtschaftliche Interessen im Gazastreifen

Wer den Krieg allein mit „Sicherheit“ erklärt, verschweigt eine andere Dimension: Gaza liegt auf bedeutenden Erdgasfeldern im Mittelmeer. Mehrere israelische Politiker sprechen offen davon, den Gazastreifen langfristig wirtschaftlich kontrollieren zu wollen – bis hin zu Plänen, dort ein „zweites Dubai“ für Tourismus aufzubauen. Frieden kann nicht entstehen, wenn Landnahme und Ressourcenkontrolle die eigentlichen Triebkräfte bleiben.
Wie könnte eine Lösung aussehen?

Wenn ich auf dieses Problem blicke, sehe ich vier Schritte:
- Hamas entwaffnen – Terror darf niemals Grundlage von Politik sein,
- Siedlungsbau stoppen – ohne Rückbau gibt es kein Vertrauen für Verhandlungen,
- Wirtschaftliche Perspektiven schaffen – internationale Programme für Jobs, Bildung und Infrastruktur müssen den Gazastreifen stabilisieren,
- Druck durch die internationale Gemeinschaft – EU und UN dürfen keine doppelten Standards anwenden. Verstöße gegen Völkerrecht – egal ob von Israel oder Palästina – müssen Konsequenzen haben.
Und vor allem: Eine neue Sprache finden. Nicht „Krieg gegen Gaza“ oder „Krieg gegen Israel“, sondern Anerkennung des Leids beider Seiten. Kinder in Tel Aviv, die Angst vor Raketen haben, und Kinder in Gaza, die in Trümmern leben – sie sind gleichermaßen Opfer einer Spirale, die nur am Verhandlungstisch beendet werden kann.
Resümee
Die Realität ist unbequem: Beide Seiten tragen Verantwortung. Hamas durch Terror und Israel durch Besatzung und militärische Übermacht. Wer Lösungen will, muss diese Wahrheit anerkennen – sonst bleibt alles nur ein Kreislauf aus Gewalt und Rache.
Frieden wird erst möglich, wenn internationale Politik klarstellt: Kein Staat, auch Israel nicht, steht über dem Völkerrecht. Und kein Volk, auch die Palästinenser nicht, darf entrechtet, vertrieben und in permanenter Verzweiflung gehalten werden.

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