England im Trockenschock – Teil 2 – Privatisiertes Wasser, privatisierte Probleme

Ein Beitrag von
Werner Hoffmann

In England ist die Wasserversorgung – anders als in den meisten Ländern Europas – vollständig privatisiert.

Trinkwassernetz und Abwasserentsorgung sind seit 1989 in den Händen von Unternehmen, die in erster Linie ihren Aktionären verpflichtet sind. Das war eine politische Entscheidung unter Premierministerin Margaret Thatcher – mit dem Versprechen von Effizienz, Innovation und besseren Investitionen. Heute zeigt sich: Viele dieser Versprechen haben sich ins Gegenteil verkehrt.

Vom öffentlichen Gut zum Renditeobjekt

Bis 1989 wurde das Wasser von regionalen, staatlichen Wasserbehörden verwaltet. Mit der Privatisierung gingen sämtliche Anlagen – von Reservoirs über Leitungen bis zu Klärwerken – in den Besitz von zehn großen Wassergesellschaften über.

  • Diese Firmen besitzen die gesamte Infrastruktur,
  • sie betreiben sowohl Trinkwasserversorgung als auch Abwasserentsorgung,
  • Preise und Investitionen werden unter Aufsicht des Regulators Ofwat festgelegt.

Auf dem Papier gibt es Wettbewerb – in der Realität ist jede Region ein Monopolgebiet.

Das große Leck – Verluste im Netz

England verliert im Schnitt 20 bis 25 % seines Trinkwassers durch undichte Leitungen. Ursache sind jahrzehntelange Unterinvestitionen:

  • Alte Rohrleitungen werden häufig nur bei akuten Schäden ersetzt,
  • vorbeugende Instandhaltung bleibt die Ausnahme,
  • hohe Dividendenzahlungen hatten oft Vorrang vor umfassender Modernisierung.

Allein bei Thames Water gehen täglich hunderte Millionen Liter verloren – genug, um Millionen Menschen zu versorgen.

Profit vor Versorgungssicherheit

Seit der Privatisierung sind viele Wasserkonzerne hoch verschuldet, weil Eigentümer Kredithebel nutzen, um Ausschüttungen zu finanzieren.

  • Investitionen werden verschoben oder gestückelt,
  • Gewinne fließen an internationale Fonds und Holdingstrukturen,
  • in Krisenzeiten fehlt finanzieller Spielraum für schnelle Sanierungen.

Gleichzeitig sind die Wasserpreise für Verbraucher seit den 1990er-Jahren deutlich stärker gestiegen als die Inflation.

Abwasserskandale

Die Unternehmen stehen regelmäßig in der Kritik, weil sie bei Starkregen ungeklärtes Abwasser in Flüsse und Küstengewässer leiten.

  • Überläufe werden als Notventil genutzt, weil die Netze unterdimensioniert sind,
  • mehrere Firmen zahlten in den letzten Jahren hohe Strafen wegen Verstößen,
  • dauerhafte Kapazitätserweiterungen wurden vielerorts zu spät begonnen.

Wem gehört das Wasser? – Die Betreiberlandschaft

Die zehn großen Wasserversorger in England & Wales sowie ihre Eigentümerstrukturen:

  • Thames Water – Konsortium unter Kemble Water; u. a. kanadische Pensionsfonds, China Investment Corporation, Abu-Dhabi-Investoren,
  • Severn Trent Water – börsennotiert; breit gestreuter Besitz durch institutionelle Anleger,
  • United Utilities – börsennotiert; britische und US-Pensionsfonds,
  • Anglian Water – Konsortium aus australischen, kanadischen und japanischen Investoren,
  • Yorkshire Water – Konsortium unter Führung von Citigroup und GIC (Singapur-Staatsfonds),
  • Southern Water – kontrolliert von der Macquarie-Gruppe (Australien),
  • South West Water – Teil der börsennotierten Pennon Group,
  • Welsh Water (Dŵr Cymru)Non-Profit, Überschüsse werden reinvestiert,
  • Northumbrian Water – Cheung Kong Infrastructure Holdings (Hongkong),
  • Wessex Water – YTL Corporation (Malaysia).

Das Problem in der Dürre

In einer akuten Wasserknappheit konkurrieren Haushalte, Industrie, Landwirtschaft und Energieerzeugung um dieselbe Ressource.

  • Sinken Grundwasserstände und leeren sich Reservoirs, geraten die privaten Versorger unter Druck,
  • staatliche Eingriffe sind möglich, stoßen aber an rechtliche und finanzielle Grenzen,
  • die Infrastruktur ist privates Eigentum – das erschwert schnelle, zentrale Steuerung.

Resümee

Die vollständige Privatisierung der Wasser- und Abwasserversorgung in England hat ein System geschaffen, in dem Profitmaximierung häufig wichtiger ist als Versorgungssicherheit. In Zeiten des Klimawandels, sinkender Grundwasserstände und wachsender Nachfrage zeigt sich, wie riskant es ist, eine lebenswichtige Ressource vollständig den Kapitalmärkten zu überlassen.

Notwendig sind verbindliche Reinvestitionsquoten, ein ambitioniertes Leckageprogramm, klare Umweltstandards – und eine Regulierung, die Versorgungssicherheit und Gemeinwohl an die erste Stelle setzt.

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Teil 1

Teil 3:

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