Was taugt das schärfere #Kartellrecht?
Das #Bundeskabinett bringt eine #Reform des #Wettbewerbsrechts auf den Weg.
Das #Bundeskartellamt soll so besser überhöhte Preisen bekämpfen können.
Die Behörde kann künftig schon bei Störungen des Wettbewerbs verschiedene Maßnahmen anordnen – illegales Verhalten ist dafür keine Voraussetzung mehr.
Aus der Industrie hagelt es Kritik an der geplanten Verschärfung. Wettbewerbsökonom Justus Haucap hält sie dagegen für nötig.
Er hoffe, dass sich das Kartellamt nun um die Deutsche Post und die Deutsche Bahn kümmern werde
ntv.de: #Bundeswirtschaftsminister Robert #Habeck hatte angekündigt, ein #Wettbewerbsrecht mit „Zähnen und Klauen“ zu schaffen. Ist ihm das gelungen?
Justus Haucap:
Im Großen und Ganzen trifft das zu. Allerdings hat der #Bundestag noch nicht zugestimmt, und es kann deshalb durchaus Veränderungen geben.
Der Regierungsentwurf aber ist eine erhebliche Verbesserung zum bisher geltenden Recht.
Das Kartellamt bekommt die Möglichkeit, unabhängig von tatsächlichem Missbrauch in Märkte einzugreifen. Und das ist gut.
Warum?
Zum einen ist es häufig schwierig und sehr langwierig, Missbrauch nachzuweisen.
Zum anderen hat die Politik in der Vergangenheit oft spontan reagiert, wenn sie der Meinung war, dass in einem Markt etwas schiefläuft.
Ein Beispiel sind die hohen Spritpreise im vergangenen Sommer. Darauf reagierte die Bundesregierung mit dem Tankrabatt.
Das war eine übereilte Maßnahme, die nicht gut durchdacht war.
Es ist viel sinnvoller, dass das Bundeskartellamt einen Markt sorgfältig untersucht und sich Experten Maßnahmen überlegen, wie reagiert werden kann.
Dann werden Entscheidungen getroffen, die nicht von Tagespolitik oder Umfragen getrieben, sondern durch Sachkunde geprägt sind.
Sie haben die hohen Spritpreise angesprochen. Der Auslöser für die Verschärfung des Wettbewerbsrechts war, dass die Preise für Benzin und Diesel an den Tankstellen weiter stiegen, obwohl die Ölpreise wieder sanken.
Der Grund: fehlender Wettbewerb.
Kann das in Zukunft überhaupt verhindert werden?
Denn das Kartellamt kann erst eingreifen, wenn ein Markt mindestens seit drei Jahren gestört ist und das noch mindestens zwei Jahre so bleibt. Das ist doch ein recht langer Zeitraum.
Man will eben nicht ad hoc eingreifen, sondern Strukturen ändern. Es geht darum, langfristige Probleme zu lösen.
Wenn man kurzfristige Probleme lösen will, muss man darauf mit kurzfristigen Maßnahmen reagieren – wie etwa mit dem Tankrabatt, obwohl der keine besonders gute Idee war. Wenn man strukturell etwas ändern will, ergibt das nur Sinn bei dauerhaften Problemen.
Auf welche Branchen zielt die Bundesregierung mit der Verschärfung?
Ich denke nicht, dass die Bundesregierung einzelne Branchen im Blick hat.
Einige Mineralölkonzerne haben losgelöst von der Verschärfung damit begonnen, ihre Tankstellennetze zu verkaufen.
Da findet also bereits eine Entflechtung auch ohne Robert Habeck statt. Ich habe die leise Hoffnung, dass sich das Kartellamt um die Post und die Bahn kümmern wird.
Diese Unternehmen sind marktbeherrschend. Das hat die Politik bisher kaum gestört, schließlich gehört die Bahn komplett und die Post zum Teil dem Bund. Da lautet bisher das Motto:
Wettbewerb ist gut – solange es nicht um unsere Unternehmen geht.
Künftig soll das Kartellamt im Extremfall auch eine Entflechtung von Unternehmen anordnen können.
Wie realistisch ist es, dass es zu einer Zerschlagung kommt?
Das ist das letzte Mittel. Entflechtung bedeutet nicht zwangsläufig Zerschlagung. Es geht hier nicht immer um eine eigentumsrechtliche Entflechtung, die einen Verkauf von Unternehmensteilen erfordern würde.
Denkbar ist beispielsweise eine organisatorische Trennung.
Bei der Post wäre das etwa, den Brief- und den Paketbereich in der Rechnungslegung transparenter voneinander abzugrenzen.
Wie gesagt, eine Entflechtung ist das letzte Mittel. Es gibt viele andere Maßnahmen, die das Kartellamt ergreifen kann. Es kann etwa die Offenlegung von Daten verlangen oder Vorgaben zu Lieferbeziehungen machen.
Ein Kritikpunkt an der Verschärfung lautet: Dem Kartellamt wird nun mehr Macht gegeben, Märkte politisch zu steuern.
Na ja. Es gibt doch bereits die Möglichkeit, Märkte politisch zu steuern: Der Bundestag kann alles
Mögliche beschließen, um genau das zu erreichen. Das Bundeskartellamt ist gerade keine politische Behörde. Zwar ist keine Behörde frei von Politik. Aber das Bundeskartellamt ist sehr unabhängig. Bei ihm ist die Gefahr viel geringer, dass Entscheidungen nicht an der Sache orientiert, sondern politisch motiviert sind.
Voraussetzung für jede Maßnahme, die das Kartellamt verhängen will, ist eine gründliche, empirische Untersuchung. Als Wissenschaftler freue ich mich über evidenzbasierte Politik, die sich nicht von Gefühlen leiten lässt, sondern von Fakten.
Vor allem aus der Industrie kommt Kritik. Der Kern: Eine Behörde könne künftig Unternehmen sanktionieren, obwohl sie nicht gegen das Gesetz verstoßen.
Das ist auch so. Und das ist gut so. Denn Unternehmen müssen sich nicht erst verbotenerweise absprechen, um faktisch ein Kartell zu bilden.
Es reicht, dass sie sich ohne Absprachen so verhalten. Dann agieren sie völlig legal, sorgen aber für überhöhte Preise. In einem solchen Fall konnte das Kartellamt bisher nichts ausrichten. Denn es hätte nachweisen müssen, dass es Preisabsprachen gibt. Nun reicht es aus, dass ein Markt „erheblich“ und „dauerhaft“ gestört ist.
So kann das Kartellamt unabhängig von der Ursache eingreifen und für mehr Wettbewerb sorgen.
Aber ist das nicht ein massiver Eingriff in die Rechte von Unternehmen?
Ja. Aber manchmal ist das notwendig. Auch die Fusionskontrolle ist doch ein erheblicher Eingriff. Damit kann Eigentümern verboten werden, ihr Unternehmen an den von ihnen gewünschten Käufer zu veräußern.
Als die Fusionskontrolle 1973 eingeführt wurde, ging ein Aufschrei durch die Republik. Aber es geht um eine Gefahrenabwehr. Es muss abgewogen werden. Und dann kann das Ergebnis lauten:
Um den Wettbewerb zu erhalten, müsst ihr an jemand anderen verkaufen. Mittlerweile dürften die meisten heilfroh sein, dass es das Instrument der Fusionskontrolle gibt.
https://www.n-tv.de/wirtschaft/Was-taugt-das-schaerfere-Kartellrecht-article24036379.html